28. März 2013
Ampelschaltung erlaubt Einblicke in genomische Prägung
IST Austria Professor Simon Hippenmeyer und Kollegen gelingt Weiterentwicklung der MADM Methode • Technik ermöglicht neue Einblicke in Phänomen der genomischen Prägung • Erstmals Auswirkung von Prägung auf einzelne Zellen untersucht • Konsequenzen für Schaltkreise im Gehirn als nächster Schritt
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Gregor Mendel zufolge verdanken wir unserer Mutter und unserem Vater gleichermaßen, was aus uns wird, da ihre Gene den gleichen Beitrag zu unserem genetischen Aufbau leisten. Allerdings ist das nicht der Fall für eine bestimmte Gruppe von Genen, die eine sogenannte „genomische Prägung“ zeigen. Geprägte Gene sind aktiv, wenn sie von einem Elternteil geerbt werden, aber inaktiv wenn sie vom anderen Elternteil geerbt werden. Daher werden diese geprägten Gene nur dann exprimiert (also tatsächlich ausgeformt), wenn sie auf einem von der Mutter geerbten Chromosom vorhanden sind (maternal), aber nicht wenn das Chromosom vom Vater geerbt wurde (paternal) – und umgekehrt. WissenschaftlerInnen sind sich uneinig, wie viele Gene im menschlichen Genom geprägt sind. Die Schätzungen belaufen sich auf rund hundert bis zu über tausend Gene. Außerdem ist die genaue Funktion der genomischen Prägung noch immer unklar: Sie scheint unabdingbar für pränatale Entwicklung, Stoffwechsel und Verhalten; eine Störung der Prägung verursacht viele Krankheiten, unter anderem auch Krebs und Erkrankungen des Gehirns. Allerdings wurde die Rolle vieler dieser geprägten Gene noch nicht eingehend untersucht.
In ihrer aktuellen Publikation in Cell Reports (10.1016/j.celrep.2013.02.002) erweitern Simon Hippenmeyer – Assistant Professor am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) – und seine Kollegen Randy Johnson vom MD Anderson Cancer Center at the University of Texas und Liqun Luo von der Stanford University – die „Mosaic Analysis with Double Markers“ (MADM) Technik in Mäusen, um die Auswirkung von genomischer Prägung auf der Ebene einzelner Zellen zu untersuchen. Hippenmeyer und seinen Kollegen gelang es erstmals, tatsächlich die Auswirkung von Prägung auf einzelne Zellen zu erforschen. Ihre Arbeit unter Verwendung der MADM Technik zeigt, dass die spezifische Auswirkungen der Prägung vom Zelltyp und dem Chromosom abhängig sind.
Für MADM werden zwei reziprok chimäre Markergene separat an identischen Positionen auf homologen Chromosomen platziert. Diese chimären Markergene bestehen aus partiellen kodierenden Sequenzen für fluoreszierende Proteine in grün und rot. Wenn MADM während der Zellteilung aktiviert wird, können unter bestimmten Umständen die zwei Tochterzellen je eines der beiden fluoreszierenden Proteine exprimieren (also ausformen) und leuchten so in unterschiedlichen Farben. Das erlaubt den Forschern, diese Zellen schnell zu finden und zu untersuchen. In ihrer aktuellen Arbeit verwenden Hippenmeyer und seine Kollegen MADM um eine sogenannte uniparentale Disomie (UPD) für ganze Chromosomen zu erzeugen. Bei einer maternalen UPD haben diese Zellen zwei Kopien eines bestimmten Chromosoms, das von der Mutter geerbt wurde, während das väterliche Chromosom fehlt. Umgekehrt erben bei einer paternalen UPD Zellen zwei Chromosome des Vaters, besitzen aber kein Chromosom der Mutter. Durch MADM können Zellen mit maternaler UPD in einer Farbe (z.B. rot) und Zellen mit paternaler UPD in einer anderen Farbe (z.B. grün) markiert werden. Bei geprägten Genen ist entweder die Kopie der Mutter oder die des Vaters aktiv, während die andere Kopie inaktiv ist. Daher tragen Zellen mit UPD entweder zwei aktive oder zwei inaktive Kopien eines geprägten Gens. Indem sie den Phänotyp von gewissen Zellen mit maternaler UPD mit dem von Zellen mit paternaler UPD verglichen, konnten die Forscher testen, ob genomisch geprägte Gene eine unterschiedliche Auswirkung auf bestimmte Zelltypen haben.
Hippenmeyer und Kollegen konzentrierten sich in ihrer Analyse auf UPDs für die Chromosomen 7 und 12 der Maus, und analysierten die Zahl und die Form von Zellen mit maternaler und paternaler UPD. Die Forscher erzielten zwei wesentliche Ergebnisse: Erstens sind die Auswirkungen von geprägten Genen äußerst spezifisch, und hängen vom Zelltyp ab. Zweitens haben UPDs für unterschiedliche Chromosomen unterschiedliche Auswirkungen auf Zellen. Die Wissenschaftler beobachteten die stärksten Veränderungen bei Chromosom 7. Zellen, die zwei paternale Kopien von Chromosom 7 tragen, sind um einiges zahlreicher als Zellen mit zwei maternalen Kopien. Sie sind besonders zahlreich in der Leber und der Lunge, während im Herz und bei bestimmten Arten von Nervenzellen keine Veränderungen beobachtet wurden. Die Veränderungen sind daher Zelltyp-spezifisch. Im Gegenzug scheint die Anzahl an Zellen, die zwei paternale Kopien von Chromosom 12 tragen, in keinem Organ verändert zu sein. Das legt die Schlußfolgerung nahe, dass eine Ungleichheit der Expression von geprägten Genen auf Chromosom 7 eine andere Auswirkung hat als eine Ungleichheit der Expression von Chromosom 12.
Mit dieser Weiterentwicklung der MADM Technik schaffen Hippenmeyer und seine Kollegen die Grundlage, um die Auswirkung von genomischer Prägung systematisch auf der Ebene des gesamten Genoms zu analysieren. Im weiteren wenden die Wissenschaftler die MADM Technik an, um die Auswirkung von genomischer Prägung auf das Gehirn zu testen und ihre Rolle in der Entwicklung von neuronalen Verschaltungen zu untersuchen.