15. Juni 2012
Der Ältere gewinnt: Männchenkämpfe bei Ameisen
Kämpfende Ameisenmännchen durchkämmen die Brutkammern auf der Suche nach schlüpfenden Rivalen, denn Geschwindigkeit lohnt sich: Der Ältere gewinnt im Kampf um die Königin • Kooperation zwischen IST-Professorin Sylvia Cremer und Uni Regensburg
In einer am 15. Juni im open-access Journal BMC Ecology erscheinenden Publikation beschreibt Professorin Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology (IST) Austria gemeinsam mit Forschern der Universität Regensburg die Rivalität zwischen männlichen Cardiocondyla obscurior Ameisen.
Während die meisten Ameisenmännchen friedlich um die Königinnen buhlen und versuchen, im Paarungsflug schneller als die Konkurrenten zum Weibchen zu fliegen, kommt es in den Nestern der kleinen tropischen Ameise C. obscurior regelmässig zu Mord und Totschlag. Flügellose, aggressive Männchen patroullieren durch de Kolonie auf ständiger Suche nach schlüpfenden Jungköniginnen, mit denen sie paaren, oder Rivalen, die sie sogleich attackieren. Ihre Mundwerkzeuge sind gut zum Greifen, aber nicht zum Zerbeissen geeignet. Daher halten sie ihren Gegner fest und markieren ihn mit einer chemischen Substanz, die die Arbeiterinnen dazu bringt, den Beschmierten zu töten.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass sich frisch geschlüpfte Männchen im Kampf kaum wehren und dem alten Männchen hilflos ausgeliefert sind. Da die Jungen den Alten nie beschmieren, greifen die Arbeiterinnen immer den Frischgeschlüpften an. Anders jedoch nach zwei Tagen: Da ist das junge Männchen mit dem älteren gleichauf und es kommt zu erbitterten Kämpfen mit gegenseitigem Beschmieren, so dass sogar beide Rivalen getötet werden können.
Es wäre also eine sehr gute Strategie der jungen Männchen, sich nicht als schlüpfender Rivalen zu erkennen zu geben, wie es ihre geflügelten Brüder tun, die sich durch chemische Weibchenmimikry den Aggressionen der Flügellosen entziehen (Cremer et al. 2002, Nature). Die Forscher konnten nun zeigen, dass den jungen ungeflügelten Männchen diese Fähigkeit fehlt, denn sie signalisieren bereits im Puppenstadium kurz vor dem Schlupf ihre Identität. Interessanterweise warten die alten Männchen jedoch bis auf wenige Ausnahmen auf den Schlupf des Rivalen, und attackieren ihn erst dann. Sie wollen sich wahrscheinlich nicht den Fehler leisten, statt eines Konkurrenten versehentlicherweise eine Paarungspartnerin zu töten, denn die chemischen Signale von Puppen sind noch nicht so genau dem Geschlecht zuzuordnen, wie die Signale der geschlüpften Tiere.
Die konstante Produktion von flügellosen Männchen hilft der Kolonie sicherzustellen, dass beim Tod des dominanten Männchens jederzeit ein Nachfolger vorhanden ist. Durch die Nutzung der getöteten Ameisen als Futter für Larven werden die Kosten für diese Strategie niedrig gehalten.
Sylvia Cremer ist Professorin am IST Austria und beschäftigt sich mit Konflikt und Kooperation im Ameisenstaat, sowie der gemeinschaftlichen Krankenpflege, wie kürzlich im Fachjournal PLoS Biology erschienen (PLoS Biol 10(4): e1001300; siehe auch New York Times).