6. September 2022
“Ich habe von Anfang an ans ISTA geglaubt.”
Laurenz Niel, einer der ersten Mitarbeiter des ISTA, spricht über die Geschichte des Instituts
Sie waren einer der ersten Mitarbeiter von ISTA, ist das richtig?
Ja, ich wurde zusammen mit dem ersten Geschäftsführer Gerald Murauer in einem Hearing im Januar 2007ausgewählt, aber ich habe dann als dritter Mitarbeiter angefangen, weil ich noch eine Kündigungsfrist in meinemvorherigen Job hatte.
Gab es den Campus zu dieser Zeit schon?
Es gab den Campus, aber es war damals noch ein Krankenhaus. Es gab noch Patient:innen. Das Krankenhaus standschon kurz vor der Schließung, aber es war noch ein paar Monate in Betrieb. In den ersten Tagen gingen wir zumMittagessen in die Krankenhauskantine. Das einzige Gebäude, das damals für das Institut hergerichtet wurde, wardas Gebäude, in dem heute Construction & Maintenance untergebracht ist. Das Voestalpine-Gebäude beherbergte dieVerwaltung des Krankenhauses. Es gab noch etwa 30 Gebäude, die über den Campus verstreut waren, etwa dieHälfte von ihnen wurde inzwischen abgerissen. Das Gelände sah völlig anders aus. Bis zur Eröffnung des Campus imJuni 2009 wurde kein Stein auf dem anderen gelassen. Die gesamte Infrastruktur wurde komplett neu aufgebaut.
Welche Position hatten Sie damals am Institut inne und wie hat sie sich seitdem verändert?
Meine erste Position war die des Koordinators des wissenschaftlichen Beirats. Meine Aufgabe war es, den Prozess der Gewinnung von Wissenschafter:innen für das Institut zu initiieren. Es war noch ein Forschungsinstitut ohne Forscher:innen. Ich arbeitete sehr eng mit Haim Harari, Olaf Kübler und Arnold Schmidt zusammen. Haim war so etwas wie der amtierende Präsident, bis der erste Präsident Tom Henzinger kam, Olaf war Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats, und Arnold war sein Stellvertreter. Mit diesen Leuten habe ich die erste Suche nach Wissenschafter:innen durchgeführt. Sehr bald stieß Helga Materna zu uns, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. Wir haben dann die Abteilung Academic Affairs aufgebaut, die ich anfangs auch selbst geleitet habe. Im Jahr 2018 habe ich die Leitung der Abteilung an Barbara Abraham übergeben. Seitdem habe ich die Stabsstelle im Büro des
Präsidenten inne.
Irgendwann gab es eine erste Forschungsgruppe. Ist das Institut seither im gleichen Tempo gewachsen?
Das Tempo hat sich nicht dramatisch verändert, im Durchschnitt fünf neue Forschungsgruppen pro Jahr. Normalerweise gibt es einen Sprung, wenn ein neues Gebäude eröffnet wird. Wir wachsen mit dem Raum, der uns zur Verfügung steht.
Gibt es ein Highlight in den 15 Jahren, auf das Sie gerne zurückblicken?
Ein Highlight war sicherlich die Eröffnung des Campus im Jahr 2009. Damals waren wir etwa 10 Leute in der Verwaltung. Es gab einen Professor, Nick Barton, mit einem Studenten und einem Postdoc. Es war eine viertägige Veranstaltung. Der erste Tag war der erste Open Campus, und wir wurden überrannt, weil so viele neugierige Leute kamen, obwohl es noch nicht viel zu sehen gab. Es war ein riesiges Verkehrschaos. Dann gab es drei Tage Programm, den offiziellen Festakt mit dem Bundespräsidenten und anderen Politiker:innen sowie hochrangige wissenschaftliche Symposien. Und wir waren so wenige. Ich frage mich bis heute, wie wir das geschafft haben. Aber irgendwie hat es funktioniert. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung, alle haben an einem Strang gezogen. Das war wirklich ein Höhepunkt.
Gab es in diesen 15 Jahren etwas, das Sie wirklich überrascht hat?
Ja. Gleich zu Beginn, und das war keine angenehme Überraschung. Der erste Präsident, den wir haben wollten, hat überraschend abgesagt, kurz nachdem er bereits in den Medien angekündigt worden war. Das war ein Rückschlag und viele glaubten damals, dass aus dem Institut nichts werden würde. Dass es dann so gut gelaufen ist, war für viele eine Überraschung, aber ich habe von Anfang an daran geglaubt.
War dies die einzige Herausforderung in der Anfangszeit des Instituts?
Nein. Die Medien berichteten sehr kritisch über das Institut. Man befürchtete, dass viel Geld in eine mittelmäßige Einrichtung gesteckt werden würde. Ich habe aber daran geglaubt, dass daraus etwas werden kann. Ich kannte die österreichische Forschungslandschaft gut und hatte viele Strategiepapiere gelesen. An Strategiepapieren gibt es in Österreich wirklich keinen Mangel. Viele von ihnen sagen nicht viel Substanzielles aus, außer sich wiederholendem Blabla. Aber das Strategiepapier für dieses Institut stach in meinen Augen wirklich heraus. Es war wirklich gut. Und wir haben uns auch sehr gut daran gehalten.
Die anfängliche Kritik hat sich also schnell gelegt?
Das war immer eine Frage der Perspektive. In den Medien wurde das Institut immer als Eliteuniversität bezeichnet. Aus der Sicht der Wissenschafter:innen, die wir rekrutieren mussten, war es aber ein absolutes No-Name-Institut. Niemand kannte Klosterneuburg, niemand kannte das Institut. Auch die Wahrnehmung des Standortes könnte kaum unterschiedlicher sein. Aus der Sicht Wiens liegt das Institut irgendwo hinter dem Wienerwald. In Wien gab es immer Leute, die gesagt haben: Wenn das Institut nicht in der Stadt angesiedelt ist, wird es nie erfolgreich sein. Aber die Wissenschafter:innen, die hierher gekommen sind, sagen: Ich gehe nach Wien. Weil Wien attraktiv ist. Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit dem damaligen Bürgermeister von Wien, Michael Häupl, geführt. Und er sagte: “Wir haben damals den Wettbewerb um den Standort des ISTA gegen Niederösterreich verloren. Aber Wien hat trotzdem gewonnen, weil das Institut als Teil der Wiener Forschungslandschaft wahrgenommen wird.”
In 15 Jahren am ISTA ist sicher einiges passiert, oder?
Ich erinnere mich an eine Sache. Ich hatte früher einen fast 20 Jahre alten Mitsubishi-Kleinbus, weil ich eine große Familie habe. Und als wir 2011 die erste Evaluierung hatten, gab es ein Abendessen mit der Prüfungskommission im Stiftskeller in Klosterneuburg. Danach wollten sie alle zurück nach Wien fahren, aber es war mitten im Winter und es gab zu wenig Taxis. Also packte ich alle sechs Komiteemitglieder, darunter zwei Nobelpreisträger, in meinen Kleinbus und brachte sie nach Wien. Auf halbem Weg leuchtete plötzlich eine Warnlampe auf, und ich wusste nicht, was los war. Ich musste dann jede einzelne Tür überprüfen und es klapperte ganz schön im Auto. Die Professoren haben das alles mit viel Humor genommen. Diese Fahrt hat der Bewertung nicht geschadet. Sie war ausgezeichnet.
Im September wird die 1000. Mitarbeiter:in am Institut anfangen. Wo sehen Sie das Institut, wenn in ein paar Jahren die 2000ste Mitarbeiter:in eingestellt wird?
Das wird noch eine Weile dauern, denn ich denke, unser Wachstum wird sich im gleichen Tempo wie bisher fortsetzen. Bis dahin werden wir wahrscheinlich unseren Ruf gefestigt haben. Jetzt werden wir noch als Newcomer wahrgenommen. Dann werden wir als fester Bestandteil der europäischen Spitzenforschungslandschaft wahrgenommen werden. Das T im Namen ISTA wird mit mehr Leben gefüllt werden. Es wird mehr Technologieforschung am Campus stattfinden, und damit wird auch ein Kulturwandel einhergehen. Und ich hoffe, dass wir in einem intensiveren Austausch mit anderen österreichischen Einrichtungen stehen, die von uns als Vorbild lernen wollen.