22. September 2016
Komplette Architektur von Superkomplexen der Atmungskette in Säugetier-Mitochondrien erstmals durch IST Austria Professor Leonid Sazanov und seine Gruppe beschrieben
Unterschiedliche Stufen des Zusammenbaus der Superkomplexe mittels Kryo-Elektronenmikroskopie identifiziert | Ergebnisse in Fachzeitschrift Nature publiziert
Die Atmungskette besteht aus mehreren großen, in die mitochondriale Lipidmembran eingebetteten Proteinkomplexen, die für die Energieproduktion in menschlichen Zellen verantwortlich sind. Diese großen Komplexe der Elektronentransportkette sind wiederum zu größeren sog. Superkomplexen oder Respirasomen zusammengeschlossen. IST Austria Porfessor Leonid Sazanov und seiner Forschungsgruppe gelang es nun erstmals, die Struktur dieser mitochondrialen Superkomplexe in ihrer physiologisch relevanten Form in Zellen des Schafs zu bestimmen. Sie zeigten, dass das Respirasom in zwei Hauptformen, einer „losen“ und einer „dichten“ Form, vorliegt. Diese Beobachtungen tragen zum Verständnis von Zusammenbau und Abbau der Superkomplexe bei, da diese wahrscheinlich zwei Stadien dieser Prozesse abbilden.
Leonid Sazanov konnte erst kürzlich gemeinsam mit seinen Gruppenmitgliedern die erste Struktur auf atomarem Level des größten Proteinkomplexes der Atmungskette (Komplex I) entschlüsseln. Diese Ergebnisse wurden ebenso in der Fachzeitschrift Nature publiziert. Allerdings findet man in vivo die Proteinkomplexe nicht isoliert, sondern in Superkomplexen organisiert, die bis zu etwa 2 Megadalton groß sein können. Auf Basis von Sazanov’s vorangegangenen Forschungsergebnissen und der entwickelten Methoden konnte jetzt die Architektur der Superkomplexe in ihrem physiologischen Zustand untersucht werden. Dazu analysierten sie verschiedene Typen von Superkomplexen unter Einsatz von kürzlich entwickelten Methoden aus der Kryo-Elektronenmikroskopie und konnten so die Anordnung und Umgebung aller aktiven Stellen der Enzymkomponenten (Komplex I, III und IV) beschreiben. Es zeigte sich, dass abgesehen von der Stabilisierung des individuellen Proteinzusammenbaus, der Schutz vor exzessiver Produktion von Sauerstoffradikalen eine weitere Funktion der Superkomplexe zu sein scheint. Solche Radikale können DNA und Proteine in Zellen schädigen und eine der Ursachen für Alterung sein. Zusätzlich kann der Einblick in die Architektur der mitochondrialen Superkomplexe auch als Ausgangspunkt für die Entschlüsselung von Krankheiten gesehen werden, die in Zusammenhang mit Dysfunktionen der Atmungskette stehen.
Leonid Sazanov, ein Weißrussisch-Britischer Strukturbiologe, studierte Biophysik (B.Sc. und M.Sc.) an der staatlichen Weißrussischen Universität in Minsk. Nach seinem Doktorat und anschließendem Aufenthalt als Research Fellow am Department für Biophysik der Universität Moskau in der Gruppe von Sergei V. Zaitsev wechselte er an die Universität Birmingham, danach an das Imperial College in London. Am MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge forschte er in der Gruppe des Nobelpreisträgers John E. Walker. Bis zu seiner Berufung ans IST Austria war er “Tenured Program Leader” in der MRC Mitochondrial Biology Unit in Cambridge. Seit April 2015 ist Leonid Sazanov Professor am IST Austria. Seine Gruppe erforscht die Struktur und Funktion von Membranproteinen und fokussiert sich dabei auf das bessere Verständnis des Komplex I der Atmungskette.