5. März 2020
Kleine Zelle – große Coverstory
IST Austria-ForscherInnen bauen Zellteilungsmaschinerie nach und entschlüsseln Proteinfunktion – Studie erscheint als Coverstory von Nature Microbiology
Durch den Nachbau von Teilen der Zellteilungsmaschinerie fanden BiologInnen vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) die Antwort auf eine im Bereich der bakteriellen Physiologie schon lange im Raum stehenden Frage: Wenn sich eine Bakterienzelle in zwei identische Tochterzellen teilt, muss sich die sie umgebende Zellwand derart verformen, dass sie sich nach innen einschnüren kann – wie aber wird diese Verformung gesteuert und kontrolliert? Die Studie erschien als Coverstory in der März 2020-Ausgabe von Nature Microbiology.
WissenschafterInnen nehmen an, dass bei Bakterien rund 20 verschiedene Proteine als Organisationseinheiten der Zellteilungsmaschinerie die Verformung der Zellwand während der Teilung koordinieren, darunter das so genannte Tubulin FtsZ. Um die Funktion von FtsZ näher zu untersuchen, bauten Postdoc Natalia Baranova und PhD-Student Philipp Radler aus der Forschungsgruppe um Professor Martin Loose am IST Austria Teile der Zellteilungsmaschinerie Baustein für Baustein nach. Dadurch gelang es ihnen, Details darüber herauszufinden, wie die FtsZ-Filamente die Verteilung von Enzymen, die die Zellwand aufbauen, regeln und so für einen reibungsfreien Ablauf der Zellwand-Einschnürung sorgen. Eine detaillierte Beschreibung der Mechanismen der bakteriellen Zellteilung ist unter anderem im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Antibiotika von großer Bedeutung.
Natalia Baranova, Erstautorin der Studie mit einem PhD in Biophysik vom Center of Cooperative Research in Biomaterials (CIC bomaGUNE), Spanien, über ihren Forschungsansatz: „Ich baue biologische Konstrukte aus einzelnen Bausteinen nach. Die meisten meiner Nachbildungen bestehen aus mehreren verschiedenen Bausteinen, die sich gegenseitig beeinflussen, sich selbst organisieren oder zusammensetzen können. Dadurch entsteht ein überaus komplexes Experimentierfeld, durch das ich mich bewege und in dem ich jeden einzelnen Baustein nach Bedarf justieren kann. Daraus können wir dann Informationen über die mechanischen Abläufe biologischer Prozesse ableiten, was in der lebenden Zelle sehr schwierig ist.“
Philipp Radler, der 2017 zur Loose-Gruppe stieß und sein Masterstudium der Molekularbiologie an der Universität Salzburg absolviert hat, fügt hinzu: „Hochkomplexe, molekulare Maschinerien wie das Divisom, ein Proteinkomplex der bakteriellen Zellteilung, in seine Bestandteile zu zerlegen und deren molekularen Wechselwirkungen zu beschreiben, ist unglaublich faszinierend. Unsere Ergebnisse helfen, diese komplexen Vorgänge besser zu verstehen.“
Was sehen wir am Coverbild?
Natalia: „Wir haben uns angeschaut, wie sich einzelne Moleküle der Zellteilungsmaschinerie in einer künstlichen Zellmembran verhalten. Unter dem Fluoreszenzmikroskop können wir dieses Verhalten mittels einer automatisierten Tracking-Software nachzeichnen. Auf dem Bild sieht man die Spuren von Peptiden und Proteinen, genauer gesagt einzelne FtsN-Peptide, die mit FtsZ-Filamenten interagieren.“
In einem Blogpost für die Website der Nature Research Microbiology Community beschreibt Natalia im Detail, wie sie und ihre KollegInnen vom IST Austria sowie aus Großbritannien und Spanien im Zuge dieser Studie die Zellteilung von Bakterien untersucht haben.
Publikation
Natalia Baranova, Philipp Radler, Víctor M. Hernández-Rocamora, Carlos Alfonso, Mar López-Pelegrín, Germán Rivas, Waldemar Vollmer & Martin Loose. 2020. Diffusion and capture permits dynamic coupling between treadmilling FtsZ filaments and cell division proteins. Nature Microbiology. DOI: 10.1038/s41564-019-0657-5
Förderinformation
Der IST Austria-Teil der Studie wurde durch Fördermittel des European Research Council (ERC-2015-StG-679239), aus dem Human Frontier Science Program (HFSP LT 000824/2016-L4) sowie der European Molecular Biology Organization (EMBO ALTF 1163-2015) ermöglicht.