23. März 2017
Stress kann schützen – zumindest bei Bakterien
Antibiotikum schützt Bakterien vor Säure │ Studie erschienen in Cell Systems
Antibiotika fügen Bakterien Schaden zu und setzen sie unter Stress. Trimethoprim (TMP), ein Antibiotikum, hemmt das Wachstum des Bakteriums Escherichia coli, und löst in ihm eine Stressreaktion aus. Diese Reaktion schützt nun aber das Bakterium anschließend vor tödlichen Schäden durch Säure. Antibiotika können somit die Überlebenschance von Bakterien unter bestimmten Bedingungen erhöhen. Dies zeigt eine Studie von ForscherInnen des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), durchgeführt von Karin Mitosch, Georg Rieckh und Tobias Bollenbach, die heute im Journal Cell Systems erscheint.
Bakterien treffen häufig auf unwirtliche Bedingungen: Krankheitserreger müssen etwa den Säureangriff im Magen überleben. Eine spezifische Stressreaktion kann ihnen dabei helfen, solche Angriffe zu überstehen. Gleichzeitig kann die Reaktion auf einen bestimmten Stressfaktor das Bakterium auch gegen einen anderen Stressor schützen; man spricht dann von einem so genannten Kreuzschutz. In ihrer Studie untersuchen Erstautorin und PhD Studentin Karin Mitosch und Kollegen, ob auch die Reaktion auf Antibiotika einen solchen Kreuzschutz bieten kann.
Antibiotika, also Medikamente, die Bakterien töten oder ihr Wachstum hemmen, aktivieren auch Gene, die für die Stressreaktion verantwortlich sind. Bisher war allerdings unklar, ob diese Stressreaktion die Bakterien auch gegen andere Umwelteinflüsse schützen kann. Um dies zu untersuchen, setzten die ForscherInnen das Bakterium Escherichia coli vier verschiedenen Antibiotika aus. Gleichzeitig erfassten sie, wie sich die Transkription als Antwort auf Antibiotika im gesamten Genom des Bakteriums verändert. Transkription ist die Übersetzung von DNA in mRNA, was wiederum die Anweisung für den Bau von Proteinen liefert.
Eines der untersuchten Antibiotika, Trimethoprim (TMP), löst eine schnelle Säure-Stressreaktion aus, die von Bakterienzelle zu Bakterienzelle sehr unterschiedlich stark ausfallen kann. Jene Bakterienzellen mit einer starken Stressreaktion sind anschließend vor einem Säureangriff besser geschützt. Als das Forscherteam Bakterienpopulationen einer extrem sauren Salzsäurelösung aussetzten, starben diese rasant: ihr Überleben wird – ähnlich wie der Zerfall von radioaktiven Stoffen – als „Halbwertszeit“ gemessen, und beträgt nur knapp 30 Minuten. Gaben die ForscherInnen eine Bakterienpopulation zuerst in eine Lösung mit TMP, und einige Zeit später in die Chlorwasserstofflösung, so verdreifachte sich die Halbwertszeit auf über 100 Minuten.
Mitosch und Kollegen konnten genau analysieren, auf welchem biochemischen Mechanismus dieser Kreuzschutz basiert. TMP führt zu einer Verminderung von Adenin-Nukleotiden, einem wichtigen Baustein der DNA und Energieträger der Zelle. Diese Verminderung wiederum löst die Stressantwort gegen Säuren aus. Karin Mitosch erklärt die Bedeutung ihrer Ergebnisse: „Wir liefern eine Anleitung, wie der Kreuzschutz zwischen Antibiotika und anderen Stressoren gefunden werden kann. Dies ist wichtig, denn unsere Studie liefert ein Beispiel dafür, wie Antibiotika die Überlebenschancen von Bakterien in unterschiedlichen Umweltbedingungen beeinflussen. Wenn wir wissen, welcher Kreuzschutz besteht, können zielgerichtete Strategien entwickelt werden, die die Wirkung von Antibiotika in der Behandlung von Krankheiten erhöhen.“