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27. August 2024

Vom Leben und Nachleben der Sterne

ISTA begrüßt Ilaria Caiazzo, neue Assistenzprofessorin und Expertin für stellare Entwicklung

Ein Stern mit zwei Gesichtern. Ein Stern, der die Masse der Sonne und die Kompaktheit des Mondes vereint. Sternüberreste, die ganze Planeten verschlingen und ihre Umlaufbahnen beeinflussen. Ilaria Caiazzo ist für atemberaubende Entdeckungen bekannt. Nun verstärkt sie das Team der Astrophysiker:innen am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) als neue Assistenzprofessorin. Hier erzählt sie, wie die Philosophie sie inspirierte, die Entwicklung und den Tod von Sternen zu erforschen. Außerdem spricht sie darüber, wie sie ihre vielfältigen Interessen, darunter die Filmproduktion, mit der Forschung in Einklang bringt.

Ilaria Caiazzo
Ilaria Caiazzo. Nach fünf Jahren am Caltech in Pasadena, USA, startet Ilaria Caiazzo am ISTA. Ihre Forschungsgruppe untersucht das Leben und Nachleben von Sternen. © ISTA

“Astronomische Beobachtungen sind wie Detektivarbeit. Man sammelt wertvolle Beweise, ohne dabei den Tatort durcheinanderzubringen.“

Zunächst haben Sie Philosophie studiert, heute untersuchen Sie das Leben und Nachleben von Sternen. Woher kam das Interesse an Astronomie?

Ich hatte schon immer viele Interessen. Als ich anfing, an der Universität Philosophie zu studieren, war es die Metaphysik, die mich am meisten interessierte, insbesondere, wie Menschen versucht haben, große Fragen zu beantworten. „Was ist Zeit?“, „Woher kommen wir?“, und „Was ist der Ursprung des Universums?“ – viele dieser Fragen werden nun von Physiker:innen untersucht. Das hat wahrscheinlich meine Leidenschaft entfacht. Zunächst wechselte ich zur theoretischen Physik und dann zur Astrophysik. Aber auch jetzt noch sind meine Interessen sehr breit gefächert und ich würde mich eher als unkonventionelle Astrophysikerin bezeichnen. Die Astronomie ist eine seltsame Art von Wissenschaft, die sich stark auf Beobachtungen stützt. Wir können keine Experimente durchführen; stattdessen beobachten wir und versuchen, das Gesehene zu verstehen. Es fühlt sich an wie Detektivarbeit: Man sammelt wertvolle Beweise, ohne dabei den Tatort durcheinanderzubringen.

Sie beschreiben Sterne als „wunderschöne und komplexe Laboratorien“. Wie werden Sie dieses riesige kosmische Labor von Klosterneuburg aus erforschen?

Zurzeit interessiere ich mich besonders für Neutronensterne. Das sind seltsame Objekte. Sie haben eine ähnliche Masse wie die Sonne, sind aber so klein wie eine Stadt. Ihre Dichte ist so hoch, dass ein Löffel eines Neutronensterns mehr wiegen würde als der Mount Everest. Neutronensterne haben extreme Bedingungen, mit superstarken Magnetfeldern und Schwerkraft. Das macht sie zu einem einzigartigen „Labor“. Um solche Sterne zu verstehen, benötigt man die gesamte Physik, von der allgemeinen Relativitätstheorie bis zur Quantenmechanik. Ihre extreme Natur ermöglicht es uns, die Gesetze der Physik in Bereichen zu testen, die in Laboren auf der Erde nicht realisierbar sind.

Neben Neutronensternen untersuchen Sie auch Weiße Zwerge, das sind Sternüberreste von der Größe der Erde mit einer Masse, die der der Sonne ähnelt. Was sagen uns solche Weißen Zwerge über die Entwicklung von Planetensystemen?

Neutronensterne und Schwarze Löcher sind zwar auch Überreste von Sternen, kommen aber sehr selten vor. Weniger als fünf Prozent der Sterne im Universum sterben als Neutronensterne. Weiße Zwerge hingegen zeigen uns die Entwicklung vieler Sterne im Universum. Fast alle Planeten, die wir außerhalb des Sonnensystems entdeckt haben, werden von Sternen umkreist, die sich zu Weißen Zwergen entwickeln, wenn sie sterben. Dadurch erhalten wir wertvolle Informationen über die Entwicklung und den Zusammenbruch von Planetensystemen, wenn ein Stern stirbt. Auch unsere Sonne wird sich irgendwann in einen Weißen Zwerg verwandeln, wenn sie einmal zugrunde geht. Dabei wird sie sich zunächst ausdehnen, Merkur, Venus und vielleicht sogar die Erde verschlingen, während sie die Umlaufbahnen von vielen Planetesimalen zerstört.

Moon Sized White Dwarf
Mondgroßer Weißer Zwerg. Dieser Sternüberrest hat die gleiche Masse wie die Sonne, während seine Größe mit der des Mondes vergleichbar ist. Künstlerische Darstellung. Video von PBS Space Time über den mondgroßen Weißen Zwerg hier ansehen. © Giuseppe Parisi
Two Faced White Dwarf
Der Weiße Zwerg mit zwei Gesichtern. „Janus“ besteht auf der einen Seite hauptsächlich aus Wasserstoff (helleres Blau) und auf der anderen Seite aus Helium. Künstlerische Darstellung. Ilaria Caiazzo spricht in diesem Video über Janus, den Weißen Zwerg mit zwei Gesichtern (Caltech). © K. Miller, Caltech/IPAC

Sie haben selbst einen Weißen Zwerg mit zwei unterschiedlichen Seiten, „Janus“, entdeckt. Was hat es damit auf sich?

Die Entdeckung war ein glücklicher Zufall. Wir haben nicht damit gerechnet, ein solches Objekt zu finden, da wir eigentlich auf der Suche nach etwas Anderem waren. Die äußerste Schicht von Weißen Zwergen besteht aus dem leichtesten Element, in der Regel Wasserstoff. In manchen Fällen wird die Wasserstoffschicht abgelegt, sodass sie nur ihre Heliumhülle zeigen. Es gibt Vorhersagen, dass einige wasserstoffdominierte Weiße Zwerge aufgrund von Konvektion in einem bestimmten Stadium ihrer Entwicklung zu heliumreichen Weißen Zwergen werden. Da diese Schichten gasförmig sind, würden wir erwarten, dass ein solcher Übergang auf der gesamten Oberfläche des Sterns gleichmäßig verläuft. Janus weist jedoch eine scharfe Grenze zwischen seiner wasserstoffreichen und seiner heliumreichen Seite auf, was noch nie zuvor beobachtet wurde. Um diese gasförmigen Elemente getrennt zu halten, muss Janus an seiner Oberfläche ein Magnetfeld haben, das diese Asymmetrie erzeugt.

Apropos Magnetfelder: Vor kurzem konnten wir Nordlichter in Breitengraden beobachten, die viel weiter südlich liegen als üblich. Dieses Phänomen hat seinen Ursprung im Magnetfeld der Sonne. Gibt es auch außerirdische Polarlichter?

Die von der Sonne ausgestoßenen Teilchen interagieren mit dem Magnetfeld der Erde und erzeugen diese Polarlichter in den Polargebieten unseres Planeten. Sogenannte M-Zwerge beispielsweise haben riesige Magnetfelder und werden von magnetischen Planeten umkreist. Es gibt also definitiv einige sehr intensive und farbenfrohe, verrückte Polarlichter da draußen im Universum. Möglicherweise sind diese Polarlichter nicht einmal auf die Polargebiete beschränkt, sondern können auf allen Planeten beobachtet werden.

Sie sind nicht nur Assistenzprofessorin der Astrophysik, sondern auch Autorin und Produzentin. Wie bringen Sie all das unter einen Hut?

Ich glaube, man sollte sich nicht nur auf ein Interessensgebiet beschränken. Zeitmanagement ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Filmproduktion ist sehr arbeitsintensiv und kann nicht wirklich nebenbei erledigt werden. Für die Produktion meines neuesten Kurzfilms, musste ich mir beispielsweise während meiner Promotion zwei Monate freinehmen. Die Filmproduktion ist immer noch eine Leidenschaft, das Schreiben von Drehbüchern lässt sich aber besser mit meiner neuen Position als Assistenzprofessor am ISTA vereinbaren.

Kurz bevor Sie ans ISTA kamen, wurden Sie zur Ritterin des Verdienstordens der Italienischen Republik geschlagen. Wie fühlt es sich an, als junge Forscherin eine solche Auszeichnung zu erhalten?

Für mich und meine Familie war diese Auszeichnung wirklich eine Überraschung. Für meine Forschung ausgezeichnet zu werden, wirkte fast wie ein Traum. Das Medieninteresse in Italien und auf der ganzen Welt begann mit meiner ersten Publikation in Nature, in der ich den kleinsten beobachteten mondgroßen Weißen Zwerg beschrieb. Als dann die Entdeckung des Sterns mit den zwei Gesichtern hinzukam, wurde die Aufmerksamkeit noch größer.

“Zusammen mit meinen Kolleg:innen arbeiten wir daran, das ISTA zu einem Zentrum für Astronomie in Europa zu entwickeln.”

Mit welchen Vorstellungen starten Sie Ihre Zeit am ISTA?

Schon bei meinem ersten Besuch am ISTA während des Bewerbungsprozesses hatte ich das Gefühl, dass dies ein Ort ist, an dem ich etwas schaffen und den aufstrebenden Bereich der Astronomie mitgestalten kann. Professor:innen werden sehr gut unterstützt und erhalten die besten Bedingungen sowie die beste Umgebung, um großartige Wissenschaft zu betreiben. Außerdem war ich sehr froh, dass das ISTA meine Kolleg:innen aus der Astrophysik ausgewählt hat, um den Grundstein für die Astronomie-Fakultät zu legen. Zusammen arbeiten wir daran, das ISTA zu einem Zentrum für Astronomie in Europa zu entwickeln. Die notwendigen Ressourcen stehen uns dafür zur Verfügung. Jetzt müssen wir es nur noch umsetzen!



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