21. März 2013
Auf Schatzsuche im Käseplattenlabyrinth
IST Austria Professor Jozsef Csicsvari entdeckt gemeinsam mit Kollegen die Prozesse, mit denen räumliche Erinnerungen als Karte im Gehirn manifestiert werden • Forscher messen den Zeitraum der Kartenbildung • Inhibitorische Interneuronen möglicherweise in Kartenauswahl involviert
Neue Information wird während des Lernens durch Verarbeitung und Kodierung in den neuronalen Schaltkreisen in Erinnerung verwandelt. In einer aktuellen Publikation in Neuron entdeckte IST Austria Professor Jozsef Csicsvari, gemeinsam mit seinem Kollegen David Dupret von der University of Oxford und Joseph O’Neill, Postdoc in der Csicsvari Gruppe, eine neue Rolle für inhibitorische (also reizregulierende) Interneuronen im Hippocampus der Ratte während der Bildung von räumlicher Erinnerung.
Beim räumlichen Lernen wird ein bestimmter Raum im Hippocampus durch plastische Veränderungen in den Verbindungen zwischen den Neuronen dargestellt. Um zu untersuchen wie Ratten Räume erlernen, verwenden Jozsef Csicsvari und seine Kollegen das sogenannte Käseplatten-Labyrinth. Diese Apparatur enthält mehrere Löcher. Um die räumliche Erinnerung zu testen, wird in einigen der Löcher Futter versteckt. In der ersten Runde des Tests lernt das Tier, wo das Futter versteckt ist. Nach einer Runde Schlaf testen die Forscher in der zweiten Runde, ob sich das Tier an die Verstecke erinnern kann. In vorangegangener Arbeit haben Cscicsvari und seine Kollegen sowie andere Wissenschaftler gezeigt, dass die räumliche Erinnerung im Hippocampus durch Änderungen im Feuern von exzitatorischen (also Reiz anregende) Pyramidenzellen, den sogenannten „Platz-Zellen“, kodiert wird. Eine Platz-Zelle feuert, wenn sich das Tier an einem bestimmten Ort befindet. Normalerweise feuern Platz-Zellen immer an derselben Stelle in einer Umgebung. Allerdings kann sich während des räumlichen Lernens der Ort des Feuerns ändern, um zu kodieren, wo die Belohnung zu finden ist. Dadurch werden sogenannte Erinnerungskarten gebildet.
In ihrer aktuellen Publikation erforschen die Wissenschaftler den Zeitraum der Bildung dieser Erinnerungskarten. Sie zeigen, dass während des räumlichen Lernens die Karten von Pyramidenzellen, die alte und neue Verstecke repräsentieren, „flackern“, und beide Arten des Feuerns auftreten. Zuerst fluktuieren alte und neue Karten, weil sich das Tier unsicher ist, ob die Änderung des Verstecks nur vorübergehend ist. In einer späteren Phase dominiert die neue Karte, und damit die relevante neue Information.
Die Forscher untersuchten auch den Beitrag von inhibitorischen Interneuron-Schaltkreisen zum Lernen. Sie zeigen, dass diese Interneuronen, die besonders ausgiebig mit Pyramidenzellen verschaltet sind, ihre Feuer-Rate während der Kartenbildung und dem „Flackern“ verändern: Manche Interneuronen feuern häufiger, wenn die neue pyramidale Karte feuert, während andere weniger oft mit der neuen Karte feuern. Diese Veränderungen des Interneuron-Feuerns wurden nur während des Lernens beobachtet, nicht aber während des Schlafs und des Erinnerns. Die Wissenschaftler zeigen außerdem, dass die Veränderungen in der Feuerrate auf kartenspezifische Veränderungen in den Verschaltungen zwischen Pyramidenzellen und Interneuronen zurückzuführen sind. Wenn eine Pyramidenzelle Teil einer neuen Karte ist, verursacht die Stärkung der Verbindung mit einem Interneuron den Anstieg der Feuerrate des Interneurons. Wenn eine Pyramidenzelle nicht Teil einer neuen Karte ist, verursacht im Gegenzug die Schwächung der Verbindung mit einem Interneuron die Reduzierung der Feuerrate des Interneurons. Sowohl der Anstieg als auch die Reduzierung von Feuerraten können für das Lernen hilfreich sein, weil sie die Regulierung von Plastizität zwischen Pyramidenzellen erlauben und die Abfolge des Feuerns kontrollieren.
Die neuen Forschungsergebnisse zeigen, dass nicht nur exzitatorische Neuronen während des Lernens ihr Verhalten modifizieren und ihre Verschaltungen plastisch ändern, sondern dass dies auch der Fall für inhibitorische Interneuron-Schaltkreise ist. Csicsvari und seine Kollegen gehen dementsprechend davon aus , dass inhibitorische Interneuronen in der Kartenauswahl involviert sein können.