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27. Juni 2017

Der Krümmung einen Schritt voraus

CurveUps: Computerwissenschaftler am IST Austria entwickeln flache Strukturen, die sich selbsttätig in gekrümmte Freiformobjekte mit glatten Oberflächen verwandeln | Die neue Methode wird bei der diesjährigen SIGGRAPH-Konferenz präsentiert

CurveUps are printed flat and actuated into doubly curved 3D shapes using pre-stretched elastic membranes.

Obwohl es 3D-Drucker schon seit den 1980er Jahren gibt, sind wir noch weit davon entfernt, ihr gesamtes Potenzial auszureizen. Einen aktuellen Forschungs- und Entwicklungsbereich stellen „selbsttätige“ Objekte dar: flache Materialien, die sich selbsttätig durch die inneren Materialkräfte in die gewünschten 3D-Objekte transformieren können. Bisher war dies auf Objekte mit scharfen Kanten und geringer Krümmung beschränkt, und die Transformation beruhte hauptsächlich auf Faltmethoden und Prozessen, die nicht sehr genau gesteuert werden konnten, wie zum Beispiel chemische Reaktionen oder Aufblähung. Nun hat es eine Gruppe von Computerwissenschaftler am IST Austria erstmals geschafft, selbsttätige Objekte mit glatter Oberfläche und beliebiger Form herzustellen. Zu diesem Zweck entwickelten sie ein raffiniertes Materialdesign und eine neue Methode der Selbsttransformation – sie bezeichnen ihre innovativen Ergebnisse als „CurveUps“. Das Team aus Ruslan Guseinov, Eder Miguel und Bernd Bickel entwickelte darüber hinaus auch Berechnungswerkzeuge, die aus dem gewünschten 3D-Modell eines Benutzers automatisch eine flache 2D-Vorlage erzeugen, die sich bei ihrer Freisetzung dann in die originale 3D-Version verwandelt.

Das Ziel des Projekts war in mehrfacher Hinsicht hoch gesteckt. Ein 3D Objekt zu erzeugen, das in seiner endgültigen Form mechanisch stabil ist, stellt eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus musste das Team einen steuerbaren Mechanismus entwickeln um die 3D-Form zu erzeugen. „Ich habe mit vielen verschiedenen Materialien und Methoden experimentiert, bevor wir das gegenwärtige Design gefunden haben“, erklärt Erstautor Ruslan Guseinov. CurveUps bestehen aus winzigen Plättchen, die zwischen vorgedehnten Schichten aus Latex eingeschlossen sind. Während des Transformationsprozesses zieht die Spannung der gedehnten Latexschichten die Plättchen zu einer durchgängigen Schale zusammen.

Die innovative Design- und Transformationsmethode war aber nur ein Teil der Arbeit des Teams. Als diesen Ideen vorlagen, konzentrierten sich die Computerwissenschaftler schließlich darauf, die Werkzeuge für die Erzeugung der 2D-Druckvorlagen zu entwickeln. Ihr Programm wandelt ein 3D-Modell eines Benutzers automatisch in ein 2D-Plättchen-Design mit der nötigen Orientierung, dem Ort und der Form sämtlicher Plättchen und Verbindungsstifte um. Da auch die kleinsten Modelle aus hunderten oder tausenden Plättchen bestehen, stellt dies ein Optimierungsproblem ungeheuren Ausmaßes dar – undurchführbar auf einem PC. Um dies zu lösen, setzte die Gruppe einen zweistufigen Optimierungsprozess ein, der zuerst eine ungefähre Lösung ergibt und anschließend punktuell Verbesserungen vornimmt, noch bevor die endgültige Vorlage erzeugt wird. Der gesamte Prozess vom 3D-Modell bis zum CurveUp kann in diesem Video betrachtet werden.

CurveUps beeindrucken nicht nur technisch und mathematisch, sondern stellen einen wichtigen Durchbruch im 3D-Druck dar. „Unsere Forschung ist ein Schritt hin zur Entwicklung neuer Herstellungstechniken: Es gab viele Fortschritte in der Herstellung flacher Objekte, beispielsweise in der Elektronik, die bisher auf 2D-Formen beschränkt waren“, sagt Ruslan Guseinov. „Mit CurveUps ermöglichen wir die Erzeugung von 3D-Objekten, die mit denselben Technologien ausgestattet sind. Damit erweitern wir die Grenzen der digitalen Fabrikation weit über das bisher Mögliche hinaus.“
Dem stimmt Bernd Bickel zu: “Es gibt viel Wissen zur 2D-Drucktechnik, und diese Einsatzmöglichkeiten verbinden wir nun mit denen der 3D-Objekte. Das ist ein extrem spannender Bereich in der Forschung des 3D-Drucks, und unsere Gruppe arbeitet aktiv daran, die Möglichkeiten noch mehr zu erweitern“.

Ruslan Guseinov ist im dritten Jahr seines PhD-Studiums am IST Austria und ist in der Forschungsgruppe Computergrafik und digitale Fabrikation tätig. Eder Miguel war vormals Postdoc in der Gruppe und ist nun als Postdoc an der Rey-Juan-Carlos-Universität beschäftigt. Leiter der Gruppe ist Assistant Professor Bernd Bickel, der 2015 ans IST Austria wechselte. Ihr Forschungsbericht wird in Los Angeles, Kalifornien, auf der diesjährigen SIGGRAPH, der weltweit führenden Konferenzen zu Computergrafik und interaktiven Techniken, präsentiert werden.

Link zum Video:
https://www.youtube.com/watch?v=OSo1HZFhVaU
Link zur Forschung:
http://visualcomputing.ist.ac.at/publications/2017/CurveUp/



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