17. August 2022
Digitaler Garn für echte Socken
ISTA-Wissenschafter:innen aus dem Bereich Visual Computing übertragen garnbasierte Stoffsimulation auf industrielle Anwendungen
Dass Pixar- und Disney-Figuren nicht nackt herumlaufen, ist Teil des Vermächtnisses der Wojtan Gruppe am ISTA. Ihre visuellen Berechnungen von gestrickten Textilien erfassen das komplexe Verhalten von Kleidungsstücken. Jetzt übertragen sie ihr Wissen auf eine reale Anwendung, von der die Textilindustrie bei der Entwicklung neuer Stoffe profitiert. Sie präsentieren ihre Ergebnisse auf der angesehenen SIGGRAPH-Konferenz und tragen damit dazu bei, dass Menschen künftig nicht nackt herumlaufen.
Vergleichen Sie Animationsfilme von heute mit denen von vor zwanzig Jahren. Zweifellos werden Sie die bahnbrechenden Fortschritte erkennen, die auf dem Gebiet der visuellen Datenverarbeitung gemacht wurden. Dies ist die harte Arbeit von Computerwissenschafter:innen wie dem Doktoranden Georg Sperl und seinem Betreuer Professor Chris Wojtan am Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Doch nicht nur Animationskünstler:innen reisen zur jährlichen SIGGRAPH-Konferenz, um die neuesten Erkenntnisse zu erfahren. Auch Technologie- und Industrieführer:innen sind dort auf der Suche nach mächtigen Algorithmen. „Für dieses Projekt haben wir unsere effizienten und genauen Visualisierungsprogramme auf reale Probleme angewandt und die Untersuchung auf reale Daten aus der Textilindustrie gestützt“, fasst Sperl die Zusammenarbeit mit der spanischen Firma SEDDI und der US-Firma Under Armour zusammen.
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Die beeindruckende Komplexität von Garngeweben. Es erfordert einen effizienten Algorithmus wie den der Forscher:innen, um die Dynamik von Tausenden von Garnmaschen in Echtzeit zu erfassen.
Von der Grundlagenforschung zur technologischen Anwendung
Das Besondere an Sperls‘ Simulationen von Maschenwaren ist der garnbasierte Ansatz. Anstatt ein Gitter zu verwenden, das nur die Gesamteigenschaften des Materials wiedergibt, berücksichtigt er jedes einzelne Garn und dessen physikalischen Eigenschaften. Dies bietet eine bessere Kontrolle und fängt auch mehr von der Komplexität eines sich bewegenden Strickpullovers ein. Dennoch bleibt der clevere Algorithmus effizient. Bislang hat noch niemand eine garnbasierte Simulation auf reale Industriedaten angewandt. „Wir waren neugierig, ob es funktioniert. Echte Daten sind knifflig. Viele Parameter sind unbekannt. Aber die Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist und viele Vorteile mit sich bringt“, sagt Sperl und nennt ein Beispiel:
Stellen Sie sich vor, ein Textilunternehmen möchte einen neuen Stoff in sein Portfolio aufnehmen, kennt aber dessen Eigenschaften nicht – wie sich der Stoff verdreht, bewegt und dehnt. Man beachte, dass ein Strickmuster das Verhalten des Stoffes erheblich und auf komplexe Weise verändert. Nun kann das Unternehmen Daten über verschiedene Strickmuster bereitstellen, die aus demselben Garn hergestellt wurden. Mit der neuen Methode können sie dann ein Garnmodell berechnen, das nicht nur die Dynamik der bereitgestellten, sondern auch zahlreiche andere Muster mit diesem Garn erfasst. Anstatt alle Möglichkeiten zu produzieren und zu prüfen, kann das Unternehmen die Eigenschaften im Voraus simulieren. Eine solche virtuelle Prüfung spart Ressourcen.
„Die Textilindustrie ist riesig und simulationsbasierte Ansätze nehmen gerade erst Fahrt auf. Für uns ist es sehr spannend, die Methoden mitzugestalten, die bald überall auf der Welt eingesetzt werden könnten.“
Publikation
Georg Sperl, Rosa M. Sánchez-Banderas, Manwen Li, Chris Wojtan und Miguel A. Otaduy. 2022. Estimation of Yarn-Level Simulation Models for Production Fabrics. ACM Transactions on Graphics, Vol. 41, No. 4, Art. 65 (Proceedings of SIGGRAPH). DOI: 10.1145/3528223.3530167
Finanzierung
Das Forschungsprojekt wurde zum Teil durch den European Research Council (ERC) Consolidator Grant 772738 TouchDesign finanziert.