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5. September 2023

Drei junge ISTA Forschende gewinnen ERC Grants

EU-Förderung für Hryhoriy Polshyn, Bingqing Cheng und neuen ISTA-Assistant Professor Florian Praetorius

Forschende des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) haben ERC Starting Grants in Höhe von insgesamt knapp fünf Millionen Euro für ihre Forschungsarbeit erhalten. Diese prestigeträchtigen Zuschüsse des Europäischen Forschungsrats (ERC) helfen Forscher:innen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, Projekte zu starten, Teams zu bilden und ihre besten Ideen zu verfolgen. Alle drei geförderten Projekte beschäftigen sich mit neuartigen Materialien. Langfristig können sie Anwendungen ermöglichen in den Bereichen Photovoltaik, Planetenforschung, Impfstoffe und neuer Arten elektronischer Geräte.

In diesem Jahr haben Forscher:innen in Österreich 19 ERC Starting Grants erhalten, damit liegt das Land auf Platz acht von 24 Ländern, die eine derartige Forschungsförderung erhalten haben. Das ISTA trägt maßgeblich dazu bei: Seit der Eröffnung des Instituts im Jahr 2009 waren beeindruckende 47 % der Anträge erfolgreich. Das Institut hat bereits 72 der prestigeträchtigen Grants des Europäischen Forschungsrats erhalten.

Zwei der drei neuen ERC Starting Grants werden für den Auf- und Ausbau neuer Forschungsgruppen am ISTA verwendet, geleitet von Hryhoriy Polshyn, der seit Juni 2022 am Institut ist, und von Florian Praetorius, der Anfang 2024 ans ISTA kommt. Der dritte ERC Grant geht an ISTA-Forschungsgruppenleiterin Bingqing Cheng. Alle Projekte der Wissenschafter:innen teilen den Bezug zur Konstruktion und Verwendung neuartiger Materialien.

Wie verhalten sich die Elektronen in 2D-Materialien?

Hryhoriy Polshyn, der ursprünglich aus der Ukraine stammt, promovierte in Physik an der University of Illinois Urbana-Champaign, bevor er an der University of California arbeitete und schließlich im Juni 2022 als Assistenzprofessor ans ISTA kam. Er erhält 1,83 Millionen Euro für seine Arbeit zum Thema „Orbital Chern Insulators in van der Waals Moiré Systems“. Sein Projekt untersucht, wie sich Elektronen in Graphen und anderen 2D-Materialien verhalten. Indem man atomar dünne Kristalle dieser Materialien übereinanderstapelt, erreicht man eine noch nie dagewesene Kontrolle über deren Eigenschaften.

Assistenzprofessor Hryhoriy Polshyn © ISTA

Polshyn erklärt: „Nehmen wir an, wir stapeln zwei Graphen-Schichten mit einer kleinen relativen Verdrehung zwischen ihnen. In diesem Fall entsteht ein Moiré-Muster – ein Moiré-Übergitter, wie wir es nennen. Diese Moiré-Übergitter können eine dramatische Wirkung auf Elektronen haben – sie verlangsamen sie und lassen sie stark miteinander wechselwirken. Mithilfe dieses Tricks können wir neuartige elektronische Zustände erzeugen und dann deren ungewöhnliche Eigenschaften untersuchen. Insbesondere interessieren wir uns für topologische elektronische Zustände. Die experimentell beobachteten Eigenschaften solcher topologischer elektronischer Zustände sind sehr faszinierend und könnten die Grundlage für konzeptionell neue elektronische Geräte und neue Arten von Qubits werden!“

Polshyn ist überzeugt, dass die Nutzbarmachung der Eigenschaften topologischer Zustände zu einem technologischen Durchbruch führen kann. „Das Spannende für mich als Experimentalphysiker ist, dass aufgrund der Komplexität und des Reichtums dieser topologischen Zustände selbst meine Kollegen aus der theoretischen Physik nicht vorhersagen können, welche spannenden Überraschungen dieses System für uns bereithält.“

Können neuartige Materialien hergestellt werden oder nicht?

Vorhersagen sind in der Tat ein entscheidender Aspekt des zweiten vom ERC zur Förderung empfohlenen Projekts mit der Bezeichnung „ab initio PRediction Of MaterIal SynthEsis (PROMISE)“. Eingereicht wurde es von Bingqing Cheng. Die 32-jährige Wissenschafterin stammt ursprünglich aus China und promovierte an der EPFL in der Schweiz in Materialwissenschaften, bevor sie an der Universität Cambridge arbeitete und schließlich im September 2021 als Assistenzprofessorin ans ISTA kam. Ihr Projekt befasst sich mit der Tatsache, dass quantenmechanische Berechnungen zwar die Eigenschaften neuartiger Materialien vorhersagen können, aber nicht, wie diese hergestellt werden können. Sie und ihr Team wollen diese Forschungslücke schließen.

Assistenzprofessorin Bingqing Cheng © Josef Herfert | ISTA

„Ab-initio-Simulationstechniken haben sich so weit entwickelt, dass wir viele Eigenschaften von Materialien zuverlässig vorhersagen können, bevor sie synthetisiert wurden. Dieser Paradigmenwechsel hat zu Datenbanken geführt, die Millionen von theoretisch vorhergesagten Materialien mit gewünschten Eigenschaften enthalten. All diese Informationen nützen jedoch wenig, wenn wir nicht vorhersagen können, ob diese neuen Materialien überhaupt hergestellt werden können“, erklärt Cheng. „Ich werde einen Rahmen entwickeln, der auf First-Principal-Computersimulationen beruht, um vorherzusagen, ob und wie ein Material hergestellt werden kann. Der vorgeschlagene Ansatz wird die Erfolgsrate von ‚materials by design‘ erhöhen, Experimente zur Herstellung neuartiger Materialien beschleunigen und damit die Geschwindigkeit der Materialentdeckung deutlich erhöhen.“

Für dieses Projekt sind rund 1,5 Millionen Euro vorgesehen. Cheng unterstreicht, dass die entwickelten Berechnungsmethoden und die daraus resultierende Software generisch und open source entwickelt werden sollen.  „Dies wird die Entdeckung von Materialien erheblich beschleunigen. Die möglichen Anwendungen reichen von der Planetenforschung über Photovoltaik bis hin zu pharmazeutischen Molekülkristallen“, so die Wissenschafterin.

Wie baut man am besten Proteinkomplexe?

Medizinische Anwendungen gehören auch zu den möglichen Einsatzgebieten des Projekts von Florian Praetorius, der Anfang 2024 als Assistenzprofessor ans ISTA kommen wird. Der 37-jährige Wissenschafter stammt ursprünglich aus Deutschland und arbeitet derzeit als Postdoc am Institute for Protein Design der University of Washington. Zuvor hat er an der TU München in Physik promoviert. Bereits in seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit DNA Origami, also der räumlichen Anordnung von DNA in selbstorganisierenden Nanostrukturen. Das Projekt, für das er einen ERC Grant von 1,5 Millionen Euro erhalten hat, trägt den Titel „Design of Nucleic Acid-templated Ordered Protein Assemblies“. Sein Ziel ist es, eine neue Klasse von Nanomaterialien zu entwickeln, die die Vorteile des Proteindesigns und der DNA-Nanotechnologie in sich vereinen: Nukleinsäure-gestützte Proteinanordnungen.

Florian Praetorius wird Anfang 2024 als Assistenzprofessor ans ISTA kommen © Ian C. Haydon UW Institute for Protein Design

Praetorius erklärt die Ziele seines Projekts mit einer Analogie: „Wenn man sich das Entwerfen von Proteinkomplexen wie das Bauen mit Legosteinen vorstellt, dann enthält jeder Komplex, den wir bauen, nach dem heutigen Stand der Technik nur ein oder zwei Arten von Steinen in sich wiederholenden Mustern. Wenn wir aber ein Lego-Haus bauen wollen, brauchen wir Türen oder Fenster an bestimmten Positionen. Mein Ansatz würde es uns ermöglichen, bestimmte Arten von Steinen an bestimmten Positionen einzufügen.“

Praetorius geht davon aus, dass diese Technologie sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung nützlich sein kann, etwa wenn es darum geht Impfstoffe zu entwickeln, die gegen mehrere Krankheitserreger eingesetzt werden können. Mit Blick auf die nahe Zukunft sagt Praetorius: „Ich freue mich darauf, Anfang 2024 beim ISTA anzufangen. Meine Forschungsgruppe wird dazu neue Mitarbeitende einstellen. Es gibt offene Stellen für Doktoranden und Postdocs, und die Finanzierung ist auch dank des ERC-Zuschusses gesichert.“



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