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11. Dezember 2023

Kausale KI: Die Zukunft des maschinellen Lernens

KI-Wissenschafter Locatello kommt als Assistant Professor ans ISTA

Künstliche Intelligenz strömt in unser tägliches Leben, sei es durch Texte, Bilder oder Musik. Dabei ist die KI kein allwissendes Werkzeug; vielmehr erzeugt sie Inhalte, die den Daten ähneln, mit denen sie trainiert wurde. Allerdings haben KI-Technologien Schwierigkeiten, kausale Zusammenhänge zu verarbeiten. Francesco Locatello, neuer Assistant Professor am Institute of Science and Technology Austria (ISTA), versucht genau dieses Problem zu lösen. Ziel seiner Forschung ist es, mithilfe von KI und maschinellem Lernen die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung zu verstehen und somit den nächsten Schritt in deren Entwicklung einzuläuten.

Francesco Locatello
Francesco Locatello. Das stetige Wachstum sowie die interdisziplinäre Atmosphäre am ISTA veranlassten den Informatiker dazu, seine KI-Forschung nach Klosterneuburg zu bringen. © ISTA

Sonnenlicht strahlt durch ein großes Fenster in das neue Büro von Francesco Locatello. Vom Campus-Panorama richtet sich der Blick sofort auf die Bilder im Zimmer. Die Fotografien sind kaum erkennbar. Erst bei genauer Inspektion werden sie deutlicher. Ein kleiner grüner Klecks und ein sternförmiges rosa Gekritzel. Langsam dämmert es. „Das grüne Bild ist ein Kohlkopf und das andere zeigt Seesterne“, hilft Locatello. „Beide schauen realistisch aus, aber irgendwie auch nicht.“ Bei den farbenfrohen Prints handelt es sich um KI-Kunst von Tom White, dessen Serie eine Hommage daran ist, wie Maschinen unsere Welt wahrnehmen. Genau daran knüpft Locatellos Forschung an. „Unter anderem versuchen wir Maschinen dabei zu helfen, die Welt so wahrzunehmen, wie wir es tun“, so der Informatiker.

Korrelation ist nicht Kausalität

Locatellos Forschung konzentriert sich auf maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI), zwei Themen, die vor allem in den letzten fünf Jahren große Fortschritte erfahren haben. Mittlerweile sind wir von einer Reihe verschiedener KI-Modelle umgeben, die uns das Leben erleichtern: Sie erkennen Bilder, geben natürliche Sprachen wieder, verarbeiten Wissen oder sind in selbstfahrende Autos eingebaut, die in San Francisco die Hügel hinauf und hinunterfahren. Gegenwärtiges maschinelles Lernen kratzt jedoch meist nur an der Oberfläche der Realität. Es funktioniert nur unter gleichbleibenden Bedingungen einwandfrei und Veränderungen in der realen Welt, wechselnde Einstellungen oder die zeitliche Entwicklung von Gegebenheiten bleiben überwiegend unberücksichtigt.

Um genaue diese Grenzen des maschinellen Lernens zu erweitern, widmet sich Locatellos Gruppe dem Lernen kausaler Darstellungen und Modelle aus großen Datenmengen. „Uns faszinieren besonders KI-Systeme, die in der Lage sind, kausale Zusammenhänge zwischen Ereignissen zu ‚begreifen‘ – warum also eine bestimmte Handlung zu einem bestimmten Ergebnis führt“, so Locatello. Die Forscher:innen entwickeln dafür Theorien und skalierbare Algorithmen, die es KI-Agenten ermöglichen soll, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu erfassen, wenn also eine Sache zu einer weiteren führt (denken Sie an fallende Dominosteine oder ein Newton-Pendel). Sie möchten KI-Systeme entwickeln, die Auswirkungen von Eingriffen erkennen und ‚verstehen‘, wie sich Folgen in der Realität in den empfangenen Daten der Computer widerspiegeln. Diese kausalen KI-Systeme liefern neue Erkenntnisse, die vorhersagende (predictive) und generative KI-Modelle alleine nur schwer aus historischen Daten ableiten können.

„Da KI-Technologien mehr und mehr in unser tägliches Leben integriert werden, ist es wichtig zu verstehen, was passieren würde, wenn wir aktiv in diese Systeme eingreifen“, erklärt der Computerwissenschafter. „Langfristig wollen wir KI-Systeme so gestalten, dass sie uns helfen können, neues Wissen über die Welt zu generieren. Und in gewisser Weise ist das gar nicht so abwegig.“

Locatello ist überzeugt, dass der interdisziplinäre Charakter des ISTA in dieser Hinsicht hilfreich sein wird. „Der Hauptgrund, warum ich mich für das ISTA entschieden habe, war das breite Spektrum an Forscher:innen aus verschiedene Disziplinen. Es wäre doch fantastisch, wenn wir KI-Modelle trainieren könnten, die letztendlich etwas über Astronomie, das Universum oder das Klima herausfinden!“

Locatello Group at ISTA
Kausaler Zusammenhang zwischen Kaffee und guter Laune in der Locatello Gruppe. Das Lab West, das neue Zuhause der Gruppe am ISTA-Campus, bietet verschiedene Möglichkeiten, andere Wissenschafter:innen zu treffen und Ideen auszutauschen. © ISTA

Eine Wissenschaftskarriere von Venedig nach Wien

Locatello wuchs in einer kleinen Stadt in der Nähe von Venedig auf und interessierte sich schon immer für Computer. Seine Liebe zu KI-Technologien, -Forschung und Maschinen entwickelte sich aber erst als er von 2016 bis 2020 Doktorand an der ETH Zürich und am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme war. Während dieses Zeitraums arbeitete er mit Google als Forschungsberater sowie als Praktikant im Software-Bereich. Nach seinem Abschluss wurde er Senior Applied Scientist und leitete sein eigenes Forschungsteam bei Amazon Web Services mit dem Schwerpunkt auf kausales Repräsentationslernen.

Zum ISTA kommt er mit einigen Auszeichnungen im Gepäck – dem Best Paper Award auf der internationalen Konferenz für maschinelles Lernen (ICML) 2019 und dem Hector Stiftung-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich des maschinellen Lernens.

Damit das ganze Jahr ein Hauch von Italien durch das Büro weht, zieren es ein kleiner Oliven- und ein Zitronenbaum. Der Zitronenbaum trägt sogar knallgelbe Früchte – vermutlich ein Omen für eine erfolgreiche Zukunft am Campus.



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