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6. September 2023

Pumpen wie das Herz

ISTA-Forscher zeigen, wie pulsierendes Pumpen Energie sparen kann

Das Pumpen von Flüssigkeiten scheint ein gelöstes Problem zu sein, aber die Optimierung dieses Prozesses ist immer noch ein aktives Forschungsgebiet. Jede Anwendung – von Industrie bis Haushalt – würde von Energieeinsparungen profitieren. Forscher des Institute of Science and Technology Austria haben nun gezeigt, wie gepulstes Pumpen die Reibung und den Energieverbrauch beim Pumpen verringern kann. Dabei ließen sie sich von einem Pumpsystem inspirieren, das jeder Mensch kennt: dem Herz.

Laut einer internationalen Studie werden fast zwanzig Prozent des weltweiten Stromverbrauchs für das Pumpen von Flüssigkeiten verwendet – von industriellen Anwendungen, die Öl und Gas transportieren, bis hin zu Heizungsanlagen, die Warmwasser in Privathaushalten pumpen. Ein Forscherteam um Davide Scarselli und Björn Hof vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) suchte nach einer Möglichkeit, diesen Energiebedarf zu reduzieren und ließ sich dabei von der Natur inspirieren. In einer neuen Studie in der Fachzeitschrift Nature zeigten sie, dass das pulsierende Pumpen von Flüssigkeiten durch ein Rohr, ähnlich wie das menschliche Herz Blut pumpt, die Reibung im Rohr reduzieren kann – und damit auch den Energieverbrauch.

Turbulente Reibung

„Im Laufe der Jahre versuchten Forscher:innen und Ingenieur:innen, das Pumpen von Flüssigkeiten effizienter zu machen“, sagt Davide Scarselli, Erstautor der Studie. „Zwar wurden viele Lösungen simuliert oder in Laboren getestet, doch sie sind oft zu komplex und daher zu kostspielig, um in realen industriellen Anwendungen eingesetzt zu werden. Wir suchten nach einem Ansatz, der keine komplizierten strukturellen Änderungen an der Infrastruktur, wie Sensoren und Motoren, erfordert.“

Anstatt die Beschaffenheit der Rohre zu verändern, um die Reibung zwischen der fließenden Flüssigkeit und den Rohrwänden zu verringern, versuchten die Wissenschafter einen anderen Ansatz. „Wie jeder Teil unseres Körpers wurde auch das menschliche Herz durch Millionen von Jahren der Evolution geformt”, erklärt Björn Hof, Professor am ISTA. „Im Gegensatz zu herkömmlichen mechanischen Pumpen, die einen gleichmäßigen Strom von Flüssigkeit erzeugen, pulsiert das Herz. Wir waren neugierig, ob diese besondere Antriebsform einen Vorteil bietet.“

Zu diesem Zweck schufen Scarselli und sein Kollege Atul Varshney mehrere Versuchsaufbauten mit durchsichtigen Rohren unterschiedlicher Länge und Durchmesser, durch die sie Wasser pumpten. „Die Ausgangsbasis für unsere Experimente war ein gleichmäßiger Wasserfluss, in dem sich Wirbel chaotisch bewegten, während sie durch das Rohr gedrückt wurden“, erklärt Scarselli. Diese Wirbel werden als Turbulenzen bezeichnet und verursachen einen Großteil der Reibung zwischen der Flüssigkeit und den Wänden des Rohrs. Die Überwindung eben dieser Reibung kostet Energie.

Die Forscher machten die Turbulenzen sichtbar, indem sie dem Wasser winzige reflektierende Partikel hinzufügten und mit einem Laser durch das durchsichtige Rohr schienen. Scarselli fügt hinzu: „Der Laser schießt Licht in einem horizontalen Bogen durch das Rohr und wird von den Partikeln reflektiert. Wir machten Bilder davon, anhand derer wir erkennen konnten, ob die Strömung turbulent oder laminar war, wobei letzteres bedeutet, dass es keine Wirbel gab.“

Laser enthüllt Turbulenzen. Ein Laserstrahlscheint in einer horizontalen Ebene durch das durchsichtige Rohr, durch das kontinuierlich Wasser gepumpt wird. Der Laser wird von winzigen Partikeln im Wasser reflektiert und macht so dessen wirbelnde Strömungen sichtbar. © Thomas Zauner / ISTA

Weniger Reibung durch Ruhephase

Als nächstes probierten die Forscher verschiedene Arten des pulsierenden Pumpens aus. Bei einigen Pulsformen wurde das Wasser zunächst langsam beschleunigt und dann schnell gestoppt, bei anderen war es umgekehrt. Hof erklärt die Ergebnisse: „Normalerweise erhöht das pulsierende Pumpen den Widerstand und die benötigte Energie, was nicht das war, was wir suchten. Als wir jedoch eine kurze Ruhephase zwischen den Impulsen einfügten, in der die Pumpe das Wasser nicht antreibt – so wie es das menschliche Herz tut –, erzielten wir viel bessere Ergebnisse.“

Pulsierendes Pumpen beruhigt Turbulenzen. In dieser Pulsform beschleunigt die Pumpe das Wasser zunächst schnell und bremst es dann ab. Danach folgt eine Ruhephase ohne Pumpen, in der die Bewegung jeglicher Turbulenzen abklingen kann. Diese Pumpbewegung ist von der Pulsform des menschlichen Herzens inspiriert. © Thomas Zauner / ISTA

Durch diese Ruhephasen zwischen den Pumpphasen wird die Menge der Turbulenzen im Rohr drastisch reduziert. „Während der Ruhephase nehmen die Turbulenzen ab und es lässt die anschließende Beschleunigungsphase die Reibung viel effektiver reduzieren“, so Scarselli weiter.

Für eine optimierte pulsierende Pumpbewegung, die der des menschlichen Herzens ähnelt, fanden die Forscher eine Verringerung der mittleren Reibung von 27 Prozent und eine Reduzierung des Energiebedarfs um 9 Prozent. „Eine Verringerung der Reibung und der turbulenten Fluktuationen ist im biologischen Kontext eindeutig von Vorteil, da sie Schäden an den Zellen in der innersten Schicht unserer Blutgefäße verhindert, die empfindlich auf Scherstress reagieren. Daraus könnten wir möglicherweise lernen und dies in zukünftigen Anwendungen nutzen“, erklärt Hof.

Scarselli fügt hinzu: „Während wir im Labor vielversprechende Ergebnisse gezeigt haben, ist die Anwendung unserer Forschung in der realen Welt weniger einfach. Um diese pulsierenden Bewegungen zu erzeugen, müssten die Pumpen umgerüstet werden. Dies wäre jedoch immer noch viel günstiger als Änderungen an den Rohrwänden oder der Einbau von Motoren. Wir hoffen, dass andere Wissenschafter:innen auf unseren Ergebnissen aufbauen werden, um diese von der Natur inspirierten Lösungen für industrielle Anwendungen zu erforschen.“

Professor Björn Hof in seinem Labor © Nadine Poncioni / ISTA

Personalia:

Davide Scarselli wuchs in Bergamo in Italien auf und absolvierte seinen Master in Luftfahrttechnik in Mailand. Im Jahr 2015 zog er nach Österreich, um sich der Forschungsgruppe von Björn Hof anzuschließen, zunächst als Praktikant, dann als Doktorand und schließlich als Postdoc. Jetzt arbeitet er als Automatisierungs- und Datentechniker in einem Unternehmen in Linz in Österreich.

Björn Hof wuchs in Marburg in Deutschland auf. Nach seiner Promotion an der University of Manchester (UK) im Jahr 2001 arbeitete er als Postdoc in Manchester und an der Delft University of Technology. Von 2007 bis 2013 leitete er eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Danach trat er seine Stelle als Professor am ISTA an. Seine Gruppe versucht, Einblicke in die Natur der Turbulenz und die Dynamik komplexer Fluide zu gewinnen.

Publikation:

D. Scarselli, J. M. Lopez, A. Varshney, and B. Hof. 2023. Turbulence suppression by cardiac cycle inspired pulsatile driving of pipe flow. Nature. DOI: 10.1038/s41586-023-06399-5

Projektförderung:

Diese Arbeit wurde unterstützt durch das Grant  662962 der Simons-Stiftung und durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds, Grant I4188-N30, im Rahmen der Forschungseinheit FOR 2688 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.



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