12. Dezember 2013
Synaptische Mechanismen von Gehirnwellen
Team am IST Austria untersucht die synaptischen Mechanismen von rhythmischen Gehirnwellen • Studie möglich mit speziell entwickelten Instrumenten aus hauseigenem Miba Machine Shop
Wie Information im Gehirn verarbeitet und gespeichert wird ist eine zentrale Frage in den Neurowissenschaften, weil diese Prozesse essentiell sind für höhere kognitive Funktionen wie Lernen und Gedächtnis. Theta-gamma Oszillationen sind „Gehirnwellen“, die bei Ratten im Hippocampus beobachtet werden, einer Gehirnregion, die für Lernen und Gedächtnis eine Rolle spielt. In Nagetieren gehen theta-gamma Oszillationen mit der Verarbeitung von Information während des Erkundens und Navigierens in Räumen einher. Bis jetzt waren allerdings die prinzipiellen synaptischen Mechanismen weitgehend unbekannt. In ihrer Arbeit, die diese Woche in der Fachzeitschrift Neuron erscheint, zeigen Postdoktorand Alejandro Pernía-Andrade und Professor Peter Jonas, beide am Institute of Science and Technology (IST Austria), die synaptischen Mechanismen, auf denen die Oszillationen im Gyrus dentatus, dem „Haupteingang“ zum Hippocampus, basieren. Die Resultate legen nahe, dass diese Oszillationen eine Rolle in der zeitlichen Informationskodierung durch die Hauptneurone des Gyrus dentatus spielen. Ihre Ergebnisse tragen daher zu einem besseren Verständnis der Informationsverarbeitung im Gehirn bei.
Gehirnoszillationen sind rhythmische Änderungen der Spannung im extrazellulären Raum, die als elektrische Gehirnsignale mit der Verarbeitung von Information assoziiert werden. Diese elektrischen Signale sind ähnlich denen, die in elektro-enzephalographischen Aufzeichnungen (EEG) am Menschen zu beobachten sind. Pernía-Andrade und Jonas beobachteten diese Oszillationen im Hippocampus aktiver Ratten und zeichneten die Oszillationen in dieser Region mit extrazellulären Sonden auf. Um zu verstehen, wie Oszillationen entstehen und welche synaptischen Ereignisse diese Oszillationen auslösen, untersuchten die Forscher die synaptische Übertragung in Granularzellen (den Prinzipalneuronen am Haupteingang des Hippocampus) sowohl von der extrazellulären (Oszillationen) als auch von der intrazellulären Perspektive (synaptische Potentiale und neuronales Feuern) aus und verglichen dann die Ergebnisse.
Dabei fanden sie heraus, dass exzitatorische und inhibitorische synaptische Signale zu unterschiedlichen Oszillationsfrequenzen beitrugen. Exzitation aus dem entorhinalen Kortex ruft theta Oszillationen hervor, während Inhibition durch lokale Interneurone des Gyrus dentatus gamma Oszillationen erzeugt. Es wurde spekuliert, dass Oszillationen dem Gyrus dentatus bei der Kodierung von Information helfen, indem sie als Referenzsignale für zeitliche Kodierung dienen. Pernía-Andrade und Jonas zeigen nun, dass Granularzellen ihre Signale nur zu bestimmten Zeitpunkten im Oszillationszyklus senden. Dieses so genannte „phase locking“ ist notwendig, wenn Oszillationen als Referenzsignale für zeitliche Kodierung dienen sollen.
Die präzisen, hoch-auflösenden Aufzeichnungen von Granularzellen, die für diese Entdeckungen notwendig sind, waren nur durch technologische Innovationen von Pernía-Andrade und Jonas möglich. Bislang gab es keine entsprechenden Instrumente, um synaptische Signale von aktiven Ratten in so hoher Auflösung aufzeichnen zu können. Diese Innovationen sind das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit dem Miba Machine Shop, der elektronischen und mechanischen SSU (Scientific Service Unit) des IST Austria. Indem sie handelsübliche Geräte anpassten und andere Komponenten selbst entwickelten, produzierten Pernía-Andrade, Jonas und Todor Asenov, der Leiter des Miba Machine Shop, die ersten Messinstrumente für präzise biophysikalische Analysen in aktiven Ratten. Die Forschungsergebnisse stellen daher nicht nur eine Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnis dar, sondern bilden auch eine signifikante technologische und konzeptionelle Weiterentwicklung bei der Absicht, neuronales Verhalten unter natürlichen Bedingungen zu verstehen.