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17. Juni 2025

4 ERC Advanced Grants: 10 Millionen Euro für ISTA

Astrophysik, Neurowissenschaften, Bildgebung und Mathematik

Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg erhält über 10 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC). Vier Forschungsprojekte – in den Bereichen Astrophysik, Neurowissenschaften, Bildgebung und Mathematik – werden mit jeweils rund 2,5 Millionen Euro in Form eines kompetitiven ERC Advanced Grants gefördert. Das ISTA ist eine der erfolgreichsten Institutionen, die von diesem EU-Fördergremium Zuschüsse erhalten.

Peter Jonas, Zoltan Haiman, Tamás Hausel und Johann Danzl
Binäre schwarze Löcher, Gedächtnis-Engramme, Gehirnkarten, und ein Mathematik-Wörterbuch. Damit beschäftigen sich die ISTA-Professoren Zoltan Haiman, Peter Jonas, Johann Danzl, und Tamás Hausel im Rahmen ihrer vier ERC Advanced Grants des Europäischen Fortschungsrats. Insgesamt fließen für die vier Forschungsprojekte über 10 Millionen Euro an das Institut in Klosterneuburg (von links nach rechts: Peter Jonas, Zoltan Haiman, Tamás Hausel und Johann Danzl). © ISTA

Der Europäischen Forschungsrat verleiht Advanced Grants an „aktive Forschende, die nachweislich bedeutende Forschungsleistungen erbracht haben.“ Die Grants umfassen einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren und jeweils bis zu 2,5 Millionen Euro – plus zusätzliche Mittel für förderfähige „Start“-Kosten für Forschende, die aus einem Drittland in die EU umziehen, für die Anschaffung von Großgeräten oder für Experimente und Feldarbeit. Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) konnte bei der jüngsten Ausschreibung für diese prestigeträchtigen Fördermittel nun einen vierfachen Erfolg verbuchen. Sie gehen an vier ISTA-Professoren: den Astrophysiker Zoltan Haiman, den Neurowissenschafter Peter Jonas, den Biophysiker Johann Danzl, und den Mathematiker Tamás Hausel.

Zoltan Haiman: Schwarze Löcher, die einander umkreisen

Es ist inzwischen gut erforscht, dass es sowohl kleine Schwarze Löcher (von der Masse her vergleichbar mit unserer Sonne) als auch sehr viel größere gibt (eine Million bis eine Milliarde Mal massereicher). Weniger bekannt ist, was genau passiert, wenn sich zwei von ihnen ‚treffen‘, erklärt ISTA-Professor Zoltan Haiman. „Wenn sich zwei Schwarze Löcher nahe genug kommen, um die gegenseitige Anziehungskraft zu spüren, beginnen sie, sich gegenseitig zu umkreisen und bilden ein binäres System. Solche binären Schwarzen Löcher drehen sich in einer Spirale und können schließlich zu einem einzigen größeren Schwarzen Loch verschmelzen. Das könnte eine Rolle bei der Entstehung der großen Schwarzen Löcher spielen, die wir in den Zentren von Galaxien sehen. Wie oft dies geschieht, wie lange der Prozess des Einspiralens dauert und wie er genau abläuft, darüber ist derzeit nur wenig bekannt.“

ISTA-Astrophysiker Prof. Zoltan Haiman
ISTA-Astrophysiker Prof. Zoltan Haiman erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) rund 2,6 Millionen Euro für das Projekt Bright BHBs (Enabling multi-messenger science with black hole binaries). © ISTA

Hier setzt das mit 2,6 Millionen Euro dotierte Projekt Bright BHBs an. „Wir werden das Umkreisen und Verschmelzen der binären Schwarzen Löchern, die von ihnen ausgesandte Strahlung sowie die dabei entstehenden Wellen im Weltraum, die als Gravitationswellen bezeichnet werden, untersuchen“, erklärt Haiman. Mithilfe theoretischer Modelle und von Computersimulationen wird sein Team am ISTA die Signale vorhersagen, die binäre Schwarze Löcher während ihres Verschmelzungsprozesses aussenden. Dies wird dazu beitragen, sie in der Flut von Daten zu identifizieren, die von großen astronomischen Vermessungen des Himmels erwartet werden. Haiman blickt sogar noch weiter in die Zukunft: „Die Forschung wird auch bei der Interpretation der Daten von Gravitationswellendetektoren helfen, einschließlich jene der zukünftigen Weltraummission LISA. Das erweitert unser Verständnis von Schwarzen Löchern und ihrer Entwicklung im Laufe der kosmischen Geschichte.“

Haiman stammt aus Budapest, Ungarn, und verbrachte den Großteil seiner beruflichen Laufbahn in den USA. Die ERC-Förderung unterstützt den Aufbau seiner neuen Forschungsgruppe am ISTA, das er als „ein wahrlich dynamisch wachsendes Forschungsinstitut“ bezeichnet. Zoltan Haiman wird seine Stelle als Professor am ISTA offiziell im Juli dieses Jahres antreten.

Peter Jonas: Verstehen, wie wir Erinnerungen speichern und abrufen

Im Bereich der zellulären Neurowissenschaften erhält der Magdalena Walz Professor for Life Sciences Peter Jonas 2,5 Millionen Euro für das Projekt CA3-SYNGRAM. „Mit diesem Projekt wollen wir besser verstehen, wie unser Gehirn Informationen speichert und abruft. Dazu untersuchen wir Gedächtnisspuren, sogenannte Engramme“, erklärt Jonas. „Wir werden eine neue Kombination von Techniken – Elektrophysiologie, Strukturanalyse und In-vivo-Aufnahmen – einsetzen, um die winzigen Veränderungen in unseren Gehirnzellen und -verbindungen, die bei der Bildung von Erinnerungen auftreten, genau zu untersuchen. Wir konzentrieren uns auf einen Schlüsselbereich des Gehirns, der an Lernen und Gedächtnis beteiligt ist – das CA3-Netzwerk des Hippocampus. So hoffen mein Team und ich herauszufinden, wie diese Veränderungen stattfinden und wie Erinnerungen effizient gespeichert und abgerufen werden können.“

Langfristig kann dieses grundlegende Wissen eine große Hilfe bei der Bekämpfung neurologischer Erkrankungen sein. „Es gibt mehrere Hirnerkrankungen, bei denen Menschen Probleme mit der Speicherung oder dem Abrufen von Erinnerungen haben, wie zum Beispiel die Alzheimer-Krankheit, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen“, betont Jonas. „Die von uns geplanten Experimente werden uns helfen, eine entscheidende Frage in der Hirnforschung zu verstehen, die zu neuen Möglichkeiten zur Behandlung dieser Krankheiten führen könnte.“ Hieran zeigt sich die Notwendigkeit von Grundlagenforschung, um die angewandte Forschung und medizinische Anwendungen voranzubringen.

ISTA-Neurowissenschafter Prof. Peter Jonas
ISTA-Neurowissenschafter Prof. Peter Jonas erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) 2,5 Millionen Euro für das Projekt CA3-SYNGRAM (Synaptic engrams in hippocampal CA3 memory circuits). © ISTA

Peter Jonas ist einer der ersten ISTA-Professoren, er kam bereits im Jahr 2010 an das Institut. Der Forscher, der zuvor in Freiburg, Deutschland, tätig gewesen war, hat im Laufe seiner Karriere zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unterstreicht aber die besondere Bedeutung dieses ERC Grants. „Ich freue mich besonders über diese Förderung, denn es ist der dritte ERC Advanced Grant in meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Es gibt in Europa nur sehr wenige Forschende, die das geschafft haben“, erklärt Jonas. Er erhielt bereits 2011 (für das Projekt NANOPHYS) und 2016 (für das Projekt GIANTSYN) ERC Advanced Grants. Damit ist er der erste Professor am ISTA, der drei Grants dieser Gattung erhalten hat.

Johann Danzl: Unser Gehirn unter die Lupe nehmen

Um besser zu verstehen, wie Gehirnnetzwerke organisiert sind und wie sie funktionieren, benötigen wir bildgebende Verfahren. Zu den Standardtechnologien, die man vielleicht von einem Arztbesuch kennt, gehören Aufnahmen mit MRT (Magnetresonanztomographie) und CT (Computertomographie).  Die Mikroskopie ermöglicht einen noch viel detaillierteren Einblick in die Gewebestruktur. Der aus Tirol stammende Professor Johann Danzl, der sowohl Physik als auch Medizin studiert hat, erforscht und verbessert seit Jahren mit seiner ISTA-Forschungsgruppe die optische Mikroskopie zur Rekonstruktion von Hirngewebe. Er entwickelte neuartige Bildgebungssysteme wie LIONESS, CATS und kürzlich – in Zusammenarbeit mit Google Research – LICONN.

ISTA-Biophysiker Prof. Johann Danzl
ISTA-Biophysiker Prof. Johann Danzl erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) rund 2,8 Millionen Euro für das Projekt MOLCONN (Molecularly informed dense connectomic mapping of mammalian brain tissue). © ISTA

Die Verbesserung der Bildgebung von Hirngewebe ist ein weites Forschungsfeld. „Viele derzeitige Methoden sind begrenzt, weil sie entweder die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen nicht klar darstellen können oder die molekularen Details der Zellen und ihrer Verbindungen nicht erfassen. Man muss sich zwischen dem einen und dem anderen entscheiden“, erklärt Danzl. „Unsere neue Methode, MOLCONN, zielt darauf ab, detaillierte Karten von Verbindungen zwischen Gehirnzellen zu kombinieren mit Informationen über die Moleküle in und um diese Zellen. Auf diese Weise erhoffen wir uns Erkenntnisse darüber, wie die Struktur des Gehirns mit seiner Funktion zusammenhängt. In unserem Projekt werden wir an gesunden Mäusen untersuchen, wie sich Gehirnverbindungen und Zellaktivitäten mit dem Alter verändern, und dieses Wissen dann auf menschliches Gehirngewebe anwenden.“ Danzl erhält für dieses Forschungsprojekt 2,8 Millionen Euro vom ERC.

Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, das gesunde und das kranke Gehirn besser zu verstehen. „Unser Ziel ist es, ein detailliertes Modell der Verbindungen und Moleküle des Gehirns zu erstellen, das uns helfen könnte, Krankheiten wie Parkinson besser zu verstehen – eine Krankheit, an der etwa einer von 100 Menschen über 60 Jahren leidet“, sagt Danzl.

Tamás Hausel: Ein Drei-Wege-Wörterbuch für die Mathematik

„Die mathematische Welt ist voller Geheimnisse“, sagt ISTA-Professor Tamás Hausel. „Verschiedene mathematische Disziplinen haben sich auf faszinierende Weise entwickelt, aber oft isoliert voneinander. Es fällt ihnen schwer, miteinander zu sprechen.“ Hausel möchte dazu beitragen, diese Kluft zu überbrücken, indem er seinen 2,5 Millionen Euro schweren ERC Advanced Grant ViaFiPoS nutzt, um ein ‚Drei-Wege-Wörterbuch‘ zu erstellen.

„Wir wollen drei komplexe Bereiche der Mathematik – Darstellungstheorie, Topologie und Spiegelsymmetrie – mit einer neuen Methode namens Fixpunktschemata verbinden. Dazu führen wir ‚Große Algebren’ ein. Das ist ein System von Werkzeugen, die komplexe Informationen darüber offenbaren können, wie mathematische Strukturen miteinander in Beziehung stehen – indem sie Symmetrien auf eine neuartige Weise kodieren“, erklärt Hausel.

ISTA-Mathematiker Prof. Tamás Hausel
ISTA-Mathematiker Prof. Tamás Hausel erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) rund 2,5 Millionen Euro für das Projekt ViaFiPoS (Representation theory, equivariant topology and Langlands duality via fixed point schemes). © ISTA

Während es schon für verschiedene Disziplinen der Mathematik schwierig ist, miteinander zu ‚reden‘, wird es noch schwieriger, wenn man andere Wissenschaften wie die Physik einbezieht. Hausel geht auch diesen Schritt weiter. „Ich freue mich darauf, unsere Techniken für die Verbindung von Mathematik und Quantenphysik einzusetzen. Wir werden bestimmte Theorien zur Spiegelsymmetrie testen, die in der Mathematik und der modernen Physik wichtig sind. Die Ergebnisse könnten unser Verständnis von Symmetrien in der Quantenmechanik verbessern“, erklärt der aus Budapest, Ungarn, stammende Forscher.

Es ist Hausels zweiter ERC Advanced Grant nach dem AriPhyHiMo-Projekt im Jahr 2013. ERC Grants werden zwar immer an Individuen vergeben, doch Hausel möchte betonen, dass der Forschungsantrag die Hintergrundarbeit vieler Personen in seiner Gruppe enthielt. „Vor allem die Arbeiten mehrerer Doktorand:innen trugen zur Grundlage des Antrags bei. Für eines der Projekte im Antrag nutzten wir zum Beispiel wunderschöne 3D-Drucke, um damit unsere Ideen zu vermitteln. Diese wurden in unserem Miba Machine Shop am ISTA während eines Rotationsprojekts mit einem Doktoranden hergestellt.“

ISTA: Großer Erfolg bei ERC-Drittmitteln

Obwohl das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) erst 2009 seine Pforten öffnete, ist es bei der Einwerbung von ERC Grants bereits eine der erfolgreichsten Forschungseinrichtungen in Europa. Während die durchschnittliche Erfolgsquote bei ERC Frontier Grants üblicherweise zwischen 8 und 15% liegt, kann das ISTA beeindruckende 49% vorweisen. Mit den vier jüngsten Förderungen haben nun 80% der ISTA-Professor:innen mindestens einen ERC Frontier Grant erhalten, 23% haben mehrere erhalten, davon drei Professoren sogar drei Stück.



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