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21. Februar 2018

Helfen trotz Risikos: Ameisen vermeiden eigene Ansteckung während sie Nestgenossinnen vor Infektionskrankheiten schützen

Ameisen passen ihr Pflegeverhalten dem eigenen Immunstatus an │Studie in PNAS

Garden ant workers interacting with one another.
(c) Roland Ferrigato and Sina Metzler, IST Austria.

Ameisen pflegen ihre kranken Nestgenossen auf unterschiedliche Weise, abhängig von ihrem eigenen Immunstatus. Ameisen, die anfällig für gefährliche Superinfektionen sind, pflegen kranke Koloniemitglieder anders als Ameisen, die nicht dafür anfällig sind, und schützen sich so vor einer Ansteckung. Das ist das Ergebnis einer Studie der Gruppe von Professorin Sylvia Cremer am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), mit Erstautoren Matthias Konrad und Christopher Pull. Die Studie erscheint heute im Journal PNAS.

Soziale Ameisen wie die invasive Gartenameise Lasius neglectus leben in ihrer Kolonie auf kleinstem Raum. Das birgt die Gefahr, dass Krankheiten sich rasch ausbreiten können und die Kolonie bedrohen. Sylvia Cremer und ihre Gruppe haben bereits gezeigt, dass Ameisen der Art Lasius neglectus den krankheitserregenden Pilz Metarhizium abwehren, indem sie Koloniemitglieder intensiv reinigen und pflegen, wenn sich die Pilzsporen auf dem Körper einer Nestgenossin befinden. In der aktuellen Studie gingen Sylvia Cremer und ihre Gruppe der Frage nach, wie sich die pflegenden Ameisen selbst vor einer Ansteckung schützen.

Pflege als Schutz und Risiko

Ameisen pflegen Nestgenossinnen, indem sie Krankheitserreger von ihnen abknabbern oder sie chemisch desinfizieren. Durch diesen intensiven Kontakt zwischen kranken und pflegenden Ameisen kommt es leicht zu einer Übertragung des Erregers. Das kann zu einer geringen Infektion oder Mini-Infektion der pflegenden Ameise führen, die Krankheit bricht allerdings nicht aus. Wie das Forscherteam bereits in einer früheren Studie zeigte, stimulieren solche Mini-Infektionen das Immunsystem der pflegenden Ameise. Das kann einen Schutzeffekt gegenüber zukünftigen Infektionen bieten, ähnlich der Frühform der Impfung bei Menschen, der sogenannten Variolation. Kommt die Ameise wieder in Kontakt mit demselben Krankheitserreger, ist ihre Abwehr gegen Pilze stärker aktiviert und die Erkrankung verläuft glimpflich. Allerdings zeigt die aktuelle Studie des Forscherteams, dass diese Immunisierung durch bestehende Mini-Infektionen, anders als moderne Impfungen beim Menschen, auch Kosten hat. Kommt die Ameise in Kontakt mit einem zweiten anderen Krankheitserreger, ist sie nicht nur ungeschützt, sondern noch anfälliger für den zweiten Erreger. Zur bestehenden Mini-Infektion kann eine gefährliche zweite Infektion mit diesem weiteren Erreger dazukommen, eine sogenannte „Superinfektion“.

Flexible Pflege schützt vor Superinfektion

Obwohl Ameisen mit Mini-Infektionen anfälliger für Superinfektionen sind, zeigen die ForscherInnen, dass diese veränderte Anfälligkeit beeinflusst, wie Ameisen ihre infektiösen Nestgenossinnen pflegen. Die Ameisen pflegen sie weiterhin, aber sie verändern die Art und Weise dieser Pflege so, dass ihr Risiko an einer zweiten Infektion zu erkranken sinkt. Diese Risikovermeidung ist flexibel und abhängig vom derzeitigen Immunstatus der Ameise. Ist eine Ameise vor einem Pathogen geschützt, da sie gerade immunisiert ist, behandelt sie infektiöse Nestmitglieder eher mit Abknabbern. „Dieser intensive Pflegekontakt führt dazu, dass die pflegende Ameise viele Pilzsporen von der infektiösen Nestgenossen abbekommt, gegen die sie allerdings durch vorherige Immunstimulierung wenig anfällig ist.“, erklärt Sylvia Cremer.

Anders sieht es aus, wenn die Ameise auf eine Nestgenossin trifft, die einen Krankheitserreger trägt, für den die pflegende Ameise sehr anfällig ist. Wenn die Ameise aufgrund einer früheren Infektion mit Krankheitserreger A eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Krankheitserreger B entwickelt hat, dann behandelt sie infektiöse Tiere, die Krankheitserreger B tragen, indem sie sie mit Ameisensäure besprüht und so die Erreger abtötet. Durch das Sprühen von Ameisensäure kommt die pflegende Ameise in weniger engen Kontakt mit dem infektiösen Tier als bei einem Abknabbern des Erregers. So schützt sie sich vor der Übertragung des Erregers und einer Superinfektion. „Diese risikoaverse Pflege verbessert und erhält die Gesundheit der pflegenden Tiere und somit der ganzen Kolonie. Auch beim Menschen achten Pflegepersonal und Ärzte auf ihren Immunstatus, etwa durch Impfung bevor sie einen Gefahrenbereich betreten. Ameisen brauchen hierzu, im Gegensatz zum Menschen, jedoch keinen Blick in den Impfpass, um an ihren Immunstatus erinnert werden“, erklärt Sylvia Cremer.

Matthias Konrad und Christopher Pull sind die beiden Erstautoren der Studie. Matthias Konrad war von 2009 bis 2014 PhD Student von Sylvia Cremer, er kam 2010 als einer der ersten PhD Studenten an das IST Austria und forschte dann noch ein Jahr als Postdoc in der Cremer-Gruppe. Christopher Pull war von 2012 bis 2017 PhD Student in der Gruppe von Sylvia Cremer am IST Austria und ist mittlerweile Postdoc an der Royal Holloway University of London. Sylvia Cremer erforscht die soziale Immunabwehr bei Ameisen mit dem Ziel, mehr über Epidemiologie und Krankheitsdynamik in Gesellschaften herauszufinden.



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