9. Dezember 2020
Wie man einen Geistesblitz in die Praxis überträgt
Technologische Entdeckungen aus Forschungseinrichtungen, wie dem IST Austria, können ganze Branchen revolutionieren.
Die Veröffentlichung bahnbrechender Forschungsergebnisse allein garantiert leider noch nicht, dass aus Entdeckungen brauchbare Produkte oder technologische Fortschritte für die Gesellschaft werden. Manchmal stehen keine Mittel für weitere Tests zur Verfügung, und nicht selten ist das Potenzial einer Entdeckung in einem frühen Stadium einfach nicht ganz klar. Das IST Austria ist sich der Komplikationen bewusst, die der Übergang von der Forschung in die Industrie mit sich bringt, und hat ein Team genau für diese Aufgabe zusammengestellt. Im Technologietransferbüro (TWIST) bieten erfahrene Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft, Patentwesen und Industrie Training, Beratung und Bewertung des Potenzials von Innovationen an. Darüber hinaus hat IST Austria den IST Cube gegründet, einen Risikokapitalfonds für Unternehmen in der Frühphase, der in akademische Start-up-Unternehmen investiert; das aktuelle Portfolio, das stetig wächst, kann hier eingesehen werden: https://ist-cube.com/portfolio/
IST-ForscherInnen, die mit dem Gedanken spielen ihre Forschung in einem Unternehmen auszugründen, können sich für ein TWIST-Stipendium bewerben. Dieses geförderte Programm läuft ein Jahr, und ermöglicht es ForscherInnen, sich voll und ganz auf die Bewertung und Entwicklung des kommerziellen Potenzials ihrer wissenschaftlichen Entdeckung zu konzentrieren. Durch das TWIST-Stipendienprogramm und durch die Teilnahme am Entrepreneurship-Kurs „e-Lab“ des Technologietransferbüros erhalten WissenschafterInnen völlig neue Einblicke in die Geschäftswelt, durch die sie ihre Karriere durch eine eigene Firmengründung oder in anderen Jobs in der Industrie weiterentwickeln können.
Hier zeigen AutoMold und Neurolentech, zwei angehende IST-Startups, wie die Wissenschaft die Industrie revolutionieren kann.
Revolution in der Kleinserienfertigung – AutoMold
Die Herstellung von Produkten in kleinen Serien ist nicht einfach – der 3D-Druck ist oft zu zeitraubend oder kann die benötigten Materialien nicht verwenden. Zeitgleich ist der Gussformenbau ist sehr teuer. Hier setzt das angehende Startup-Unternehmen AutoMold von Thomas Auzinger und Ruslan Guseinov von der Bickel-Gruppe an. AutoMold greift auf am IST Austria entwickelte Software zu, um Formen für eine effiziente Fertigung zu entwerfen. Für nur einige hundert Euro und innerhalb eines einzigen Tages kann AutoMold so eine Gussform herstellen, die normalerweise Tausende von Euros kosten würde und für deren Konstruktion und Herstellung mehrere Wochen benötigt werden.
Mit dieser neuen Methode können DesignerInnen, KünstlerInnen oder IngenieurInnen hochwertige Formen bei niedrigen Kosten verwenden, um individualisierte Produkte oder Prototypen zu erstellen. AutoMold hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, zuletzt den niederösterreichischen riz up Genius-Preis für „Geniale Forschung und Entwicklung“.
„Wir nutzen Methoden aus der Informatik, um ein Designwerkzeug zu entwickeln, das das Potenzial hat, die Kleinserienfertigung zu revolutionieren“, sagt Thomas Auzinger, der Gründer der AutoMold.
Derzeit sucht das Projekt Kooperationspartner im Formenbau, damit AutoMold den Forschungsprototypen zu einer marktreifen Softwarelösung weiterentwickeln kann, die dann in einem Start-up weltweit vermarktet werden soll.
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Neurologische Störungen Patient für Patient bekämpfen – Neurolentech
Gehirnentwicklungsstörungen wie Autismus-Spektrum-Störung und Epilepsie betreffen weltweit mehr als 230 Millionen Menschen. Neben der Grunderkrankung leiden die Betroffenen oft auch an anderen neurologischen Störungen, Depressionen oder ADHS. Als PatientInnen sich an Professor Gaia Novarino wandten, war sie schockiert darüber, wie schwierig es ist, Hilfe bei Diagnose und Behandlung zu erhalten. Jede/r Patient/in mit diesen neurologischen Entwicklungsstörungen hat ein individuelles genetisches Profil, das nur mit Methoden der Bioinformatik analysiert werden kann. Die Entnahme und Analyse von Gehirnzellen von lebenden Menschen sind hierzu eindeutig keine Option, so dass für die meisten PatientInnen die Ursache ihrer spezifischen Störung ungeklärt bleibt. Dies ist nicht nur für die PatientInnen enttäuschend, sondern verhindert auch eine effiziente, personalisierte Behandlung. Arzneimittelstudien werden oft zu früh abgebrochen oder nicht begonnen, weil die Kosten und Schwierigkeiten bei der Identifizierung von PatientInnen mit der geeigneten genetischen Ausstattung für eine Teilnahme zu hoch sind.
Gaia Novarino und ihr Kollege Carsten Pfeffer beschlossen, sich der Herausforderung zu stellen, und diese Probleme durch die Gründung von Neurolentech, einem angehenden IST-Spin-off, in Angriff zu nehmen. In ihrem Start-up entwickeln sie eine effizientere Untersuchungsmethode für PatientInnen mit Gehirnentwicklungsstörungen. Sie entnehmen den PatientInnen Blut- oder Hautzellen, aus denen sie Stammzellen gewinnen und aus denen sie wiederum Gehirnzellen für eine detaillierte Untersuchung produzieren. „Mit unseren Daten und Störungszellmodellen können WissenschafterInnen neue Medikamente und biologische Theorien entwickeln und schließlich den Patienten helfen“, erklärt Carsten Pfeffer, einer der Mitbegründer von Neurolentech.
Derzeit befindet sich das Spin-off des IST Austrias in der Startphase und sucht nach Kooperationspartnern. In Österreich wird Neurolentech auch Teil eines Exzellenznetzwerks für Autismus sein. Das Neurolentech-Team wurde mit dem zweiten Preis bei den riz up Genius Awards 2020 ausgezeichnet.