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10. August 2022

Mit maschinellem Lernen zu 3D-gedruckten Flüssigkeiten

KI-gesteuerte Fertigungssteuerung verbessert den Druck zähflüssiger Materialien

Die Verwendung von Flüssigkeiten für den 3D-Druck mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, aber nicht alle Flüssigkeiten sind wässrig. Viele nützliche Materialien sind zähflüssig, von Tinte bis zu Hydrogelen, und eignen sich für den Druck. Doch ihr Potenzial blieb bisher unerforscht, weil sie nur begrenzt kontrollierbar waren. Jetzt setzen Forscher:innen der Bickel-Gruppe am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) maschinelles Lernen in virtuellen Umgebungen ein, um bessere Ergebnisse in realen Experimenten zu erzielen.

An apparatus drawing different shapes with ink
Der Druck geschlossener Formen mit maschinelles Lernen verbessert. Postdoc Michal Piovarči aus der Bickel-Gruppe veröffentlicht einen Druckalgorithmus, der das Langzeitverhalten von Materialien wie Tinte mit unterschiedlicher Viskosität meistert. © Michal Piovarči/ISTA

3D-Druck ist auf dem Vormarsch. Viele kennen bereits die charakteristischen Strukturen aus Kunststoff, die nahtlose und verschachtelte Konstruktionen erlauben. Weniger bekannt ist, dass die sogenannte additive Fertigung auch für den 3D-Druck von Biomaterialien und sogar Lebensmitteln angedacht wird. Dafür ist jedoch eine breite Palette anderer Druckmaterialien erforderlich: viskose Pasten, flüssigkeitsähnliche Tinten oder Hydrogele, das sind Gele aus wasserabsorbierenden Polymeren, die in der Biomedizin verwendet werden. Das Drucken mit solchen Substanzen ist jedoch eine Herausforderung. Um sie exakt zu kontrollieren, sind mühevolle Versuche nötig, denn sie neigen in der Regel dazu, sich schon Minuten nach dem Auftragen zu verformen und zu verschwimmen.

Ein Forschungsteam um den Informatiker Michal Piovarči und den Oscar-Preisträger Bernd Bickel, Professor für Visual Computing, hat sich nun dieser Herausforderung angenommen. In ihren Labors am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) haben die Wissenschafter:innen mit Hilfe von Reinforcement Learning – einer Form des maschinellen Lernens – die Drucktechnik für zähflüssige Materialien verbessert und die Überlegenheit ihrer Methode im Experiment erwiesen. Die Ergebnisse werden nun auf der SIGGRAPH-Konferenz vorgestellt, dem renommierten jährlichen Treffen der besten Forscher:innen in den Gebieten Simulation und Visual Computing.

Wissenschaft und Technologie

Ein entscheidender Bestandteil der Fertigung ist die Ermittlung der Parameter, die durchwegs qualitativ hochwertige Strukturen hervorbringen. Natürlich ist hier eine Annahme implizit: Die Beziehung zwischen Parametern und Ergebnis ist vorhersehbar. Reale Prozesse weisen jedoch aufgrund der verwendeten Materialien immer eine gewisse Variabilität auf. Beim Druck von viskosen Materialien ist dieser Umstand noch stärker ausgeprägt, da sie sich erst lange nach der Auftragung setzen. Doch wie kann man dann die komplexe Dynamik erfassen?

„Anstatt Tausende von Mustern zu drucken, was nicht nur teuer, sondern auch ziemlich langwierig wäre, haben wir unser Fachwissen in der Computersimulation eingesetzt“, antwortet Piovarči, Hauptautor der Studie. Während in der Computergrafik die physikalische Korrektheit oft gegen eine schnellere Simulation eingetauscht wird, hat das Team in diesem Fall eine simulierte Umgebung geschaffen, die die physikalischen Prozesse hinreichend korrekt widerspiegelt. „Wir haben den aktuellen und den zukünftigen Zustand der Tinte auf Grundlage der Fluidphysik modelliert. Die effiziente Programmierung ermöglichte es uns, Hunderte von Drucken gleichzeitig zu simulieren, und zwar häufiger, als wir es im Experiment je hätten tun können. Diesen Datensatz verwendeten wir für das Reinforcement Learning und erfuhren so, wie wir die Tinte und andere Materialien steuern können.“

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In virtuellen Umgebungen lernen, wie man Tinte kontrolliert. Durch die Nutzung des Fachwissens der Gruppe im Bereich der Computersimulation konnten sie tausende Trial-and-Error-Experimente umgehen. © Michal Piovarči/ISTA

Das maschinelle Lernen erstellte einige Regeln, z.B. wie die Tintenausgabedüse an einer Ecke zu bewegen ist, damit kein unerwünschter Klecks entsteht. Der Druckapparat folgte nicht mehr der Grundlinie der gewünschten Form, sondern schlug einen leicht veränderten Weg ein, der aber schließlich zu besseren Ergebnissen führte. Um zu überprüfen, ob die Regeln auch bei der Verwendung unterschiedlicher Materialien funktionieren, testeten die Forscher:innen drei Modelle mit unterschiedlicher Viskosität. Erneut profitierte sie dabei von der Effizienz der virtuellen Umgebung. Ein Testlauf mit echten Druckfarben unterschiedlicher Dicke bestätigte die Verbesserungen eindrücklich.

Das Team entschied sich für geschlossene Formen anstelle von einfachen Linien oder Schriftzügen, denn „geschlossene Schleifen sind der Standardfall für den 3D-Druck und das ist unsere Zielanwendung“, erklärt Piovarči. Obwohl der einschichtige Druck dieses Projekt für Technologien wie gedruckte Elektronik ausreichen würde, möchten die Forscher:innen zu höheren Dimensionen vorstoßen. „Natürlich sind dreidimensionale Objekte unser Ziel, sodass wir eines Tages optische Designs, Lebensmittel oder funktionale Mechanismen drucken können. Es ist faszinierend für mich, wie wir als Computergrafik-Community die treibende Kraft beim maschinellen Lernen für den 3D-Druck sein können.“

Publikation

Michal Piovarči, Michael Foshey, Jie Xu, Timmothy Erps, Vahid Babaei, Piotr Didyk, Szymon Rusinkiewicz, Wojciech Matusik und Bernd Bickel. 2022. Closed-Loop Control of Direct Ink Writing via Reinforcement Learning. ACM Transactions on Graphics, Vol. 41, No. 4, Art. 112 (Proceedings of SIGGRAPH). DOI: 10.1145/3528223.3530144

Finanzierung

Die Arbeit wurde freundlicherweise vom FWF Lise Meitner Grant M3319, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) Grant 200502, dem European Research Council (ERC) Starting Grant MATERIALIZABLE-715767 und der National Science Foundation (NSF) Grant IIS-181507 unterstützt.



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