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24. Juni 2025

Am Puls der Quantenforschung

100 Jahre einer Theorie, die die Physik revolutionierte: Quantenvielfalt am ISTA

2025 jährt sich die Entdeckung der Quantenmechanik zum 100. Mal. Trotz seines jungen Alters treibt das schnell wachsende und höchst interdisziplinäre Institute of Science and Technology Austria (ISTA) vielfältige Bereiche der Quantenforschung voran. Dreizehn unabhängige Gruppen untersuchen grundlegende Fragen, die von der Theorie bis zur Geräteimplementierung reichen. Dieser Überblicks-Beitrag beleuchtet eine wachsende Gemeinschaft von ISTA-Forschenden an der Spitze der Quantenwissenschaft und zeigt, wie ihre Fachgebiete die jüngsten Fortschritte auf diesem Gebiet widerspiegeln.

ISTA-Doktorandin Stefanie Muroya arbeitet an der Anpassung von Algorithmen an Quantenhardware.
ISTA-Doktorandin Stefanie Muroya arbeitet an der Anpassung von Algorithmen an Quantenhardware. Mehr lesen. © ISTA

Wir schreiben Juni 1925, und ein 23-jähriger deutscher Physiker stellt sich der Herausforderung, die grundlegenden Schwierigkeiten der Atomtheorie anzugehen, die die Physik zu Beginn des Jahrzehnts in eine Krise gestürzt hatten. Während eines Kuraufenthalts auf Helgoland, wo er sich von einem akuten Heuschnupfenanfall erholte, gelang es Werner Heisenberg, damals Privatdozent an der Universität Göttingen, eine quantentheoretische Lösung für die Bewegungsgleichungen eines anharmonischen Oszillators zu finden. Zurück in Göttingen reichte er einen Artikel bei der Zeitschrift für Physik ein, der die Physik revolutionieren sollte. Sein Artikel mit dem Titel „Über die quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen“ war wohl der Moment, der das moderne Zeitalter der Quantenmechanik einläutete.

Ein Sprung in unsere heutige Zeit, 100 Jahre später. Seit seiner Gründung im Jahr 2009 hat sich das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) zu einer Einrichtung entwickelt, die ein breites Spektrum an Forschungsgebieten abdeckt, darunter verschiedene Aspekte der Quantenwissenschaft und -technologie. Während Österreich international als Drehscheibe für Spitzenforschung im Bereich der Quantenforschung bekannt ist, zeichnet sich das ISTA darin durch die Breite seiner Forschungsgebiete aus. Über die Theorie und Mathematik der Quantenwissenschaft und die traditionellere atomare und optische Quantenphysik hinaus konzentriert sich das Institut auch auf die aufstrebenden Bereiche der Quantenmaterialien und der Geräteimplementierung.

Theorie und Mathematik der Quantenwissenschaft

In einem Anfang dieses Jahres in Nature veröffentlichten Artikel befasste sich der Philosoph Sean Carroll mit der Frage, warum selbst Physiker:innen 100 Jahre später die Quantentheorie immer noch nicht verstehen. Vier ISTA-Forschungsgruppen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Mathematik und theoretischer Physik, um die Quantentheorie voranzubringen.

László Erdős: Die Mathematik ungeordneter Quantensysteme und Matrizen

Eine bahnbrechende Vision des Physikers und Nobelpreisträgers Eugene Wigner aus dem 20. Jahrhundert war, dass die Verteilung der Lücken zwischen den Energieniveaus komplexer Quantensysteme nur von der grundlegenden Symmetrie des Modells abhängt. Professor László Erdős und seine Gruppe „Die Mathematik ungeordneter Quantensysteme und Matrizen“ versuchen, Wigners Vision mit mathematischer Genauigkeit zu verifizieren.

Mikhail Lemeshko: Theoretische atomare, molekulare und optische Physik

Professor Mikhail Lemeshko untersucht mit seiner Gruppe „Theoretische atomare, molekulare und optische Physik“, wie Vielteilchen-Quantenphänomene in Ensembles von Atomen und Molekülen entstehen. Diese theoretischen Arbeiten zielen darauf ab, Experimente mit kalten Molekülen und ultrakalten Quantengasen zu erklären und neuartige, bisher nicht beobachtete Phänomene vorherzusagen.

Robert Seiringer: Mathematische Physik

Mit seiner Gruppe „Mathematische Physik“ entwickelt Professor Robert Seiringer neue mathematische Werkzeuge für die rigorose Analyse von Vielteilchensystemen in der Quantenmechanik, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf exotischen Phänomenen in Quantengasen wie der Bose-Einstein-Kondensation und der Superfluidität liegt.

Maksym Serbyn: Quantendynamik und Theorie der kondensierten Materie

Die Gruppe von Professor Maksym Serbyn, „Quantendynamik und Theorie der kondensierten Materie“, untersucht verschiedene offene Fragen zu Nicht-Gleichgewichtszuständen. In einer kürzlich in Physical Review Letters veröffentlichten Arbeit hat die Serbyn Gruppe die Theorie der Quantennarben weiterentwickelt und gezeigt, dass dieses bizarre Quantenphänomen häufiger auftritt als erwartet. Ihre Ergebnisse könnten in Zukunft Anwendungen in der Quanteninformatik finden.

ISTA-Quantenphysiker treiben die Theorie der Quantennarben voran. Sie entdecken neue Formen von Quantennarben, die wahrscheinlich aufgrund ihrer erhöhten Komplexität übersehen wurden. Postdoktorand Jean-Yves Desaules, Professor Maksym Serbyn und Doktorand Aron Kerschbaumer.
ISTA-Quantenphysiker treiben die Theorie der Quantennarben voran. Sie entdecken neue Formen von Quantennarben, die wahrscheinlich aufgrund ihrer erhöhten Komplexität übersehen wurden. Mehr lesen. Von links nach rechts: Postdoktorand Jean-Yves Desaules, Professor Maksym Serbyn und Doktorand Aron Kerschbaumer. © ISTA

Atomare und optische Quantenwissenschaft

Dieser Bereich der Quantenwissenschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen, etwa der Aufrechterhaltung der Kohärenz in großen Systemen, der Verbesserung der Genauigkeit von Messinstrumenten und der Überwindung der Grenzen aktueller Technologien. Drei Forschungsgruppen am ISTA beschäftigen sich mit einigen dieser Fragen, deren Anwendungen bis in die Bereiche Quanteninformatik, Dunkle Materie und Quantengravitation reichen.

Denitsa Baykusheva: Ultraschnelle Quantenspektroskopie

Ultraschnelle Licht-Materie-Wechselwirkungen wurden bisher vorwiegend aus einer „semiklassischen Perspektive“ betrachtet. Das bedeutet, dass die Materie quantenmechanisch betrachtet wird, während das elektromagnetische Feld klassisch beschrieben wird. Die Assistenzprofessorin Denitsa Baykusheva versucht mit ihrer Gruppe „Ultraschnelle Quantenspektroskopie“, diese Lücke zu schließen und die ultraschnelle Spektroskopie vollständig in den Bereich der Quantenphysik zu integrieren.

Onur Hosten: Quantensensorik mit Atomen und Licht

Mit seiner Gruppe „Quantensensorik mit Atomen und Licht“ möchte Assistenzprofessor Onur Hosten innovative Techniken entwickeln, um die Quanteneigenschaften atomarer, optischer und mechanischer Systeme zu kontrollieren. Langfristiges Ziel der Gruppe ist es, anspruchsvolle experimentelle Fragen zu erforschen, wie beispielsweise die Natur der dunklen Materie und die Wechselwirkung zwischen Quantenmechanik und Gravitation.

Julian Léonard: Quantenoptik

Assistenzprofessor Julian Léonard versucht mit seiner Gruppe „Quantenoptik“, kleine Teilchen und die Kräfte, die ihr Verhalten bestimmen, zu erforschen, indem er quantenoptische Systeme aus individuell gesteuerten Atomen und Photonen untersuchen. Dieser Ansatz könnte dazu beitragen, Materialien zu verbessern und Anwendungen für Quantencomputer und in der Quanteninformationsverarbeitung zu entwickeln.

Erforschung und Entwicklung von Quantenmaterialien

Der Physiker Joseph Orenstein argumentierte in einem Artikel in Physics Today aus dem Jahr 2012, dass die Entdeckung und Untersuchung von Materialien, deren elektronische Eigenschaften mit den Konzepten aus den aktuellen Lehrbüchern zur kondensierten Materie nicht verstanden werden können, ein verbindendes Thema ist, das das Zeitalter der Quantenmaterialien einläutet. Mit einer neuen Forschungsgruppe, die in diesem Jahr zum ISTA kommt, wird das Institut nun über vier Gruppen verfügen, die sich mit Quantenmaterialien befassen.

Zhanybek Alpichshev: Kondensierte Materie und ultraschnelle Optik

Die Gruppe von Assistenzprofessor Zhanybek Alpichshev, „Kondensierte Materie und ultraschnelle Optik“, nutzt ultraschnelle optische Methoden, um die physikalischen Mechanismen zu verstehen, die einigen der äußerst komplexen Phänomene in der Vielteilchenphysik zugrunde liegen. Dazu gehört beispielsweise das Verhalten einer großen Anzahl stark korrelierter Teilchen.

Kimberly Modic: Thermodynamik von Quantenmaterialien im Mikromaßstab

Moderne Quantenmaterialien wie unkonventionelle Supraleiter, Quanten-Spin-Flüssigkeiten und topologische Halbmetalle weisen eine Vielzahl emergenter Materialzustände auf. Mit ihrer Gruppe „Thermodynamik von Quantenmaterialien im Mikromaßstab“ kombiniert Assistenzprofessorin Kimberly Modic maßgeschneiderte thermodynamische Untersuchungen mit modernster Probenaufbereitung, um die gebrochenen Symmetrien und topologischen Strukturen dieser Zustände zu bestimmen.

Hryhoriy Polshyn: Elektronische Phänomene in 2D-Materialien

Die Gruppe von Assistenzprofessor Hryhoriy Polshyn, „Elektronische Phänomene in 2D-Materialien“, erforscht experimentell neuartige elektronische Zustände und untersucht deren grundlegende Eigenschaften. Diese Forschung zielt darauf ab, exotische elektronische Zustände besser zu verstehen und die physikalischen Grundlagen für konzeptionell neue elektronische Bauelemente und Qubits zu schaffen.

Veronika Sunko: Symmetry Probes of Quantum Matter

Mit ihrer Gruppe „Symmetry Probes of Quantum Matter“ wird die neue Assistenzprofessorin Veronika Sunko, die im September 2025 zum ISTA kommt, die Ursachen und Folgen von Symmetriebrüchen in Quantenmaterialien und deren Zusammenhang mit der Topologie untersuchen. Ihr Ziel ist es, experimentelle Methoden zu entwickeln, die empfindlich auf gebrochene Symmetrien reagieren, und diese zu nutzen, um neuartige Phänomene zu entdecken, zu charakterisieren und zu manipulieren.

Quanten-Festkörperphysik und Geräteimplementierungen

Jüngste Fortschritte in der Quanten-Festkörperphysik haben zu Durchbrüchen in der Materialwissenschaft, Elektronik und Quantentechnologie geführt. Zwei Forschungsgruppen am ISTA konzentrieren sich auf dieses Gebiet und treiben Anwendungen in den Bereichen Geräteimplementierungen und Quanteninformatik voran.

Doktorand Thomas Werner steht neben einem offenen Verdünnungs-Kühlschrank, einer speziellen Kühltechnologie, mit deren Hilfe Quantenphänomene bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt erzielt werden können.
ISTA-Physiker erreichen optisches Auslesen von supraleitenden Qubits. Co-Erstautor und Doktorand Thomas Werner steht neben einem offenen Verdünnungs-Kühlschrank, einer speziellen Kühltechnologie, mit deren Hilfe Quantenphänomene bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt erzielt werden können. Mehr lesen. © ISTA
Johannes Fink: Integrierte Quantensysteme

Die Gruppe von Professor Johannes Fink, „Integrierte Quantensysteme“, untersucht die Quantenphysik in elektrischen, mechanischen und optischen Chip-basierten Bauelementen, um die Quantentechnologie für Simulation, Kommunikation, Messtechnik und Sensorik voranzutreiben. In einer kürzlich in Nature Physics veröffentlichten Arbeit gelang es der Fink Gruppe, ein vollständig optisches Auslesen von supraleitenden Qubits zu realisieren und damit die Technologie über ihre derzeitigen Grenzen hinaus zu entwickeln. Diese Arbeit legt den Grundstein für den Aufbau eines Netzwerks aus supraleitenden Quantencomputern, die bei Raumtemperatur über gewöhnliche Glasfaserkabel miteinander verbunden sind.

Georgios Katsaros: Nanoelektronik

Professor Georgios Katsaros untersucht mit seiner Gruppe „Nanoelektronik“ Halbleiter-Nanogeräte und erforscht Quanteneffekte, wenn diese Geräte auf -273,14 °C gekühlt werden. Das Ziel: Spin-Qubits in Germanium zu erzeugen und zu verstehen, ob Confined Qubits in hybriden Halbleiter-Supraleiter-Systemen realisiert werden können. Darüber hinaus untersucht die Gruppe neue grundlegende physikalische Phänomene, die in Halbleiter-Nanogeräten auftreten. In einer kürzlich in Nature Communications veröffentlichten Arbeit nutzte die Katsaros Gruppe die Reaktion von Loch-Spin-Qubits auf magnetische und elektrische Felder und beantwortete damit grundlegende Fragen zur Physik, die zur Weiterentwicklung von Quantenprozessoren beitragen könnten.

ISTA-Doktorand Jaime Saez-Mollejo.
Die Spur ‚fehlender Elektronen‘ in Spin-Qubits beeinflussen. Mithilfe eines Chips aus dem Halbleiter Germanium konnten die Autor:innen neue Erkenntnisse über das Quantenverhalten von Loch-Spin-Qubits gewinnen. Mehr lesen. Hier der Erstautor und ISTA-Doktorand Jaime Saez-Mollejo. © ISTA

Quanten-Serie auf Social Media des ISTA

Da die Vereinten Nationen das Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Quantenwissenschaft und -technologie erklärt haben, startet das ISTA eine Social-Media-Serie mit dem Titel „I Am Many Versions of Myself… The Qudit States of a Quantum Scientist“. Die Serie, die von den Prinzipien der Quantenüberlagerung und der Heisenbergsche Unschärferelation inspiriert ist, wird ISTA-Forschende vorstellen, die ihre verschiedenen Facetten und Rollen als Quantenwissenschafter:innen präsentieren.

Hinter den Kulissen, beim Fotoshooting für die ISTA-Social-Media-Serie „I Am Many Versions of Myself… The Qubit States of a Quantum Scientist”.
Hinter den Kulissen, beim Fotoshooting für die ISTA-Social-Media-Serie „I Am Many Versions of Myself… The Qudit States of a Quantum Scientist”. © ISTA

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